5. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Tchiba: klang collection

Tchiba: klang collection

Badooum! Der den meisten von uns eher als souveräner Pianist bekannte Martin Tchiba geht mit diese CD unter die Potentiometer-Skalierer, unter die Tüftler, die am Klangrad drehen. Badoooum! In drei Teile zerfällt hier sein Werk: places, dedications und images. Er selbst schreibt zum Gesamtkomplex der CD: «klang collection ist meine musikalische Aufarbeitung der Corona-Zeit. Reflektiert werden vielfältige Klänge, Dinge, Orte, die mir 2020 und 2021 wichtig waren, die auf der Agenda gestanden hätten, aber aufgrund der Situation „unerhört“ blieben, ergänzt durch starke Reminiszenzen an die „Zeit davor“.» Da ist es

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Schönegg / Enso: Strukturen

Schönegg / Enso: Strukturen

Wie geschwungen, so verklungen. Eintauchmusik, schrubbig manchmal, dann eher gelüftet. Strukturen, so die Titel Römisch I bis VI, klingt dabei viel zu eckig für das, was da tatsächlich tönt. Das Ensemble Enso breitet nämlich sehr Lebendiges, weniger Abstraktes oder Immaterielles vor einem aus. Entschuldigen Sie den Einwurf, gerade aber türmt sich so eine Art lebendiger Obertonreihe mit vor mir auf. Ein Dahingehauchtes ist es dann. Und eine seltene Musik obendrein: Die Besetzung mit Michael Thieke (Klarinette), Sandra Weiss (Fagott), Nathan Bontrager (Cello), Stefan Schönegg (Kontrabass) und Etienne Nillesen (erweiterte Snare

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Mannheim 1778 / Letzbor, Traxler

Mannheim 1778 / Letzbor, Traxler

Mozart in Mannheim (und in Paris). Über diese Zeit sind bereits ganze Bücher geschrieben worden, und doch muss man vielleicht eher diese biographischen Stationen «nachfühlen«, um ansatzweise zu verstehen, was dem jungen Komponisten in diesen Jahren und Monaten widerfahren ist. Konkrete Spuren davon wird man kaum in seiner Musik finden, mehr aber wohl in seinen Briefen – zwischen Liebesfreud (Aloysia Weber) und tiefer Trauer um die Mutter. Aus dieser Zeit stammen die in Paris als «Opus 1» gedruckten Sonaten für Clavier und Violine (KV 301–306). Angeregt durch eine ähnliche Komposition

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Edinburgh 1742 / Ensemble Maryas

Edinburgh 1742 / Ensemble Maryas

Es gibt in der Musikgeschichte immer wieder überraschende Konstellationen. Dazu zählen auch die Jahre des aus Lucca stammenden Francesco Barsanti im schottischen Edinburgh, die zugleich als seine produktivsten gelten. Hier hat er offenbar auch seine besten Werke hervorbracht. Nach England kam Barsanti (1690–1770) 1714 gemeinsam mit Francesco Geminiani, zwanzig Jahre später wandte er sich gen Norden, wo er als Musikmeister in der Edinburgh Musical Society tätig war. Neben eigenen Kompositionen widmete er sich auch den traditionell überlieferten Liedern und Gesängen (erstaunlich, dass diese wohl jede Generation von Komponisten faszinierten) und

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Leipzig 1723 / Capricornus Consort Basel

Leipzig 1723 / Capricornus Consort Basel

Wer hat darüber nicht schon einmal zu später Stunde bei einem Glas guten Rotweins sinniert? Was wäre wenn… Wenn etwa im Falle Telemanns die Stadt Hamburg oder bei Christoph Graupner der Darmstädter Fürst eben nicht ein paar Goldmünzen draufgelegt hätten (um sie bei der Stange zu halten) und der eine oder andere die Wahl zum Thomaskantor angenommen hätte? Oder auch Johann Friedrich Fasch, der sich schon früh selbst aus der Konkurrenz genommen hatte, als er auf eine Anstellung als Hofkapellmeister in Zerbst einschlug. Wie wäre die Musikgeschichte dann verlaufen, etwa

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London ca. 1720 / Le Rêveuse

London ca. 1720. Corelli’s Legacy / La Rêveuse

Dieses Album wirft einen so hochinteressanten wie farbigen Blick auf die Themse-Metropole zu Beginn des 18. Jahrhunderts – einer Zeit, in der sich das bürgerli­che Musikleben Londons in großen Schritten zu einem der aufregendsten von ganz Europa entwickelte. Hier konnte man als Impresario mit ansprechenden Inszenierungen im Handumdrehen reich werden und ebenso rasch bankrott gehen. Seit 1705 überrollte außerdem die italienische Musik alle Bühnen, Konzertsäle und privaten Salons. Zugleich verbreiteten rührige, strategisch geschickte Verleger die jeweils aktuelle Musik in zahlreichen Arrangements. Dass sich dabei nicht alles gleich um Georg Friedrich Händel

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1717 / Ensemble Scaramuccia

1717. Memories of a Journey to Italy / Scaramuccia

Musik nach Jahreszahlen zu ordnen, ist eine reizvolle Sache. Für die jüngst vergangenen Jahrzehnte fallen einem dazu wie selbstverständlich die im Dezember präsentierten Jahres-Charts ein; ältere Zeiten eröffnen hingegen (kultur-)geschichtliche Zusammenhänge. Im besten Fall zeigen sie uns Nachgeborenen etwas von der Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen – vor allem, wenn man sich das jeweilige Jahr mit den Augen und Ohren der Zeitgenossen zu denken versucht. Dass damit auch ein gewisser Reiz einhergeht, auch weniger bekannte Musik einem breiteren Auditorium schmackhaft zu machen, zeigen all jene Alben, die zuletzt mit einem entsprechenden «Jahresmotto»

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Joseph Haydn / Giovanni Antonini

Joseph Haydn / Giovanni Antonini

Früher hatten nach Vollständigkeit strebende Langzeitprojekte in der Musik ein hohes Ansehen. Ich erinnere mich an sämtliche Mozart-Sinfonien unter Karl Böhm (noch ganz frei von den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis) und natürlich an die Bach-Kantaten unter Nikolaus Harnoncourt – den LP-Kassetten waren in den großformatigen Beiheften sogar die entsprechenden Partituren der Alten Bach-Ausgabe beigegeben. Ein in dieser Weise auf weit denkende, lesekundige Hörer abzielender Coup erscheint heute undenkbar. Dann kam Anfang der 1980er Jahre die großartige, umfassende Haydn-Edition bei Telefunken/Decca – ein anfänglich noch in blaues Leinen(!) eingeschlagener mehrteiliger Altar

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Karel Husa / Tomáš Brauner

Karel Husa / Tomáš Brauner

Er ist einer der großen tschechischen Komponisten des 20. Jahrhunderts – und doch dürfte Karel Husa (1921–2016) den wenigsten allein dem Namen nach bekannt sein. Der Grund dafür sind die politischen und ideologischen Verhältnisse, die dazu führten, dass er Europa in den 1950er Jahren den Rücken kehrte: Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs blieb er in Prag unbehelligt und studierte bis 1951 in Paris bei Arthur Honegger. Als ihm von der Heimat her ein zunehmend scharfer Wind entgegen blies, blieb er vorerst in Frankreich, nahm dann aber 1954 eine Professur

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Anton Bruckner / Thomas Dausgaard

Anton Bruckner / Thomas Dausgaard

Thomas Dausgaard ist ein rühriger Dirigent, der einen erkennbar eigenen Interpretationsstil pflegt. Mit dem Swedish Chamber Orchestra (Örebro) hat er etwa für das Label BIS großes sinfonisches Repertoire des 19. Jahrhunderts unter dem Motto «opening doors» eingespielt, obwohl man sich die Besetzung öfters gerne auch größer gewünscht hätte. Die klanglichen Ergebnisse sind noch immer spannend, vielfach gar erhellend. Wie dort schon zu beobachten war, zählt Dausgaard zu jenen Dirigenten, die auf dem Podest gerne auch mit dem Turbo unterwegs sind. Nicht bloß angezogene, sondern gar flotte Tempi zeugen von einer

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Johannes Brahms / Iván Fischer

Johannes Brahms / Iván Fischer

Mit wechselnder Intensität nehmen sich Iván Fischer und sein Budapest Festival Orchestra des großen romantischen Repertoires an. Manches überrascht dabei, anderes erfüllt (auf hohem Niveau) die gesetzten Erwartungen nicht ganz. So auch bei diesem Album, das nach mehr als zehn Jahren nicht nur die Gesamteinspielung des vierteiligen Zyklus‘ abschließt, sondern auch eine der beiden viel zu selten gespielte Serenaden berücksichtigt. Dass die rundweg sehr ordentliche und in sich stimmige Aufnahme der dritten Sinfonie bei mir keinen Ehrenplatz am CD-Player erhält, liegt an verschiedenen Aspekten, die sicherlich etwas mit persönlichen Vorlieben

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Franz Schubert / Heinz Holliger

Franz Schubert / Heinz Holliger

Mit diesem Album erreicht ein fünfteiliger Zyklus sein Ziel. Dabei haben es Heinz Holliger und das Kammerorchester Basel nicht allein auf die Sinfonien von Franz Schubert abgesehen, sondern wenigstens auch zwei Ouvertüren berücksichtigt (Fierabras und Zauberharfe). Vollständig ist damit das sinfonische Schaffen freilich längst nicht abgebildet – zumindest die reiferen Konzert-Ouvertüren hätten dazugehört, aber diese werden (wie so oft) offenbar einer Gattung scheinbar zweiten Ranges zugerechnet. Dafür bietet das finale Album dieser Reihe eine seltsame Mischung aus authentischem, gangbar gemachtem und bearbeitetem Schubert, die uns in Musik gebannte Vergänglichkeit vor

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