Ein halbes Jahrhundert und ein ganzes kompositorisches Leben liegen zwischen dem ersten (op. 2, 1937) und dem letzten Quartett (op. 146, 1987), so dass sich an dieser Königsgattung die stilistische Entwicklung nachvollziehen lassen wird. Weinberg begann zunächst als schöpferischer Autodidakt, entwickelte bald aber einen Personalstil, der in gewisser Weise dem seines Freundes Dmitri Schostakowitsch ähnelt – wobei noch lange nicht ausgemacht ist, wer wen und wann beeinflusste. David Fanning zeichnet jedenfalls in seinem Essay ein recht differenziertes Bild auch über die drei hier vorgelegten Werke hinweg. Dass sich das Arcadia Quartet zugunsten einer dramaturgischen Folge gegen eine streng chronologische Präsentation entschieden hat, ist für den Moment zu bedauern – allerdings auch mit Blick auf die ersten Werke verständlich: Weinberg feilte im Alter nochmals am Tonsatz seiner frühen Partituren und gab diesen Fassungen (zur Verwirrung der Nachwelt) nochmals neue und damit höhere Opuszahlen. – Als ein Glücksfall dürfte sich jedenfalls auch über die kommenden Folgen hinweg die Kombination von Ensemble und Label erweisen: Denn das Arcadia Quartet spielt mit einem sehr körperlichen, aber dynamisch wie agogisch differenziert gestalteten Klang, was der charakteristischen Chandos-Philosophie entgegenkommt: satter Sound und direkte Akustik machen die ohnehin vorzüglichen Interpretationen zu einem bezwingenden Erlebnis.
Mieczysław Weinberg. String Quartets, Vol. 1:
Streichquartett Nr. 2 G-Dur op. 3 / op. 145 (1939/40, 1987);
Streichquartett Nr. 5 B-Dur op. 27 (1945);
Streichquartett Nr. 8 C-Dur op. 66 (1959)
Arcadia Quartet
Chandos CHAN 20158 (2020)