19. März 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Capriccio pastorale / Capella de la Torre

Capriccio pastorale / Capella de la Torre

Erst die Plätzchen, dann der Baum, dann die Sektkorken. So geht das Jahr zu Ende – meist auch mit musikalisch passender Begleitung. Im Dezember ist es oftmals das Weihnachtsoratorium (das von Johann Sebastian Bach, natürlich), das für viele einfach dazu gehört. Doch gibt es auch andere Musiken, die sich zur festlichen oder besinnlichen Einstimmung eignen. Fünf Empfehlungen dazu gibt es in dieser Hörbar-Woche – von der Renaissance bis in die Gegenwart. Den Anfang macht die Capella de la Torre mit einer Reise in Europas Süden und zurück ins 16. und

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Byrd / Mass for five voices

Byrd / Mass for five voices

William Byrds fünfstimmige Vertonung des Ordinarium Missae, die etwa Mitte der 1590er Jahre entstand, darf als einer der letzten Höhepunkte der Gattung in der Renaissance angesehen werden. Ausdrucksstark und in einem dichten Gewebe gearbeitet, kommt sie zwar ganz ohne Cantus firmus aus, dennoch greift Byrd zu Beginn der Sätze auf die alte Tradition ähnlicher Initien zu Beginn der einzelnen Sätze zurück – ein kompositorischer Kniff, um Zusammenhang und «Zyklus» herzustellen, denn die einzelnen Sätze der Messe erklangen im liturgischen Rahmen keinesfalls direkt aufeinander folgend, sondern selbst in kleineren privaten Andachten

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Byrd / My Ladye Nevells Booke

Byrd / My Ladye Nevells Booke

Es ist wohl allein der Sammel-Leidenschaft von John Baldwin, einem Sänger der St. George’s Chapel (Windsor Castle) und seiner Verehrung des Komponisten William Byrd zu verdanken, dass in einem einzigen singulären Manuskript insgesamt 42 Kompositionen für Virginal überliefert sind. Doch auch die Geschichte der am 11. September 1591 vollendeten Handschrift, bekannt als My Ladye Nevells Booke, ist einzigartig: Es befand sich im Besitz von Elizabeth I., später ist es bei Charles Burney nachweisbar, im 21. Jahrhundert gelangte es in den Besitz der British Library – als Ausgleich einer angefallenen Erbschaftssteuer.

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Byrd / Psalmes, Songs and Sonnets (1611)

Byrd / Psalmes, Songs and Sonnets (1611)

Viel zu selten wird eine derart umfangreiche Sammlung von unterschiedlichsten Sätzen vollständig eingespielt. Beim Magnus opus musicum (1604) von Orlando di Lasso wird der Wunsch wohl auf absehbare Zeit unerfüllt bleiben, bei den Psalmes, Songs and Sonnets (1611) von William Byrd wurde er Wirklichkeit. Es handelt sich zwar um ein Alterswerk, nicht aber um einen Schwanengesang. Byrd fasste sein kompositorisches Lebenswerk zusammen, indem er vor allem neue Stücke als Summa und Krönung schrieb. In seinem eigenen Vorwort zur Druckausgabe schrieb er: «Die natürliche Neigung und Liebe zur Kunst der Musik,

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The Honour of William Byrd

The Honour of William Byrd

Alison Kinder macht sich in ihrem Booklet-Essay auf die Suche nach «William Byrd» als Mensch hinter seiner Musik. Ein Unterfangen, das in dem begrenzten Raum weniger Seiten kaum gelingen kann und wohl eher an der spekulativen Oberfläche bleiben muss, als zum wahren Kern vorzudringen. Dennoch: Der Wunsch ist mehr als berechtigt, dem über viele Jahrzehnte hinweg auf höchstem Niveau produktiven Komponisten auf neuen Wegen näher zu kommen. Es sind dann auch eher die Details, die einen Einblick in den Menschen zulassen – etwa im innigen Trauergesang auf den Lehrer und

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On Byrd’s Wings / Boreas Quartett Bremen

On Byrd’s Wings / Boreas Quartett Bremen

Wann genau er geboren wurde, wusste William Byrd selber nicht. Und so ist es unklar, ob er bereits 1540 oder doch eher 1543 das Licht der Welt erblickte. Auf jeden Fall gilt er bis heute als der bedeutendste Komponist seiner Zeit auf den britischen Inseln. Byrd war mit seiner Kunst schon unter den Zeitgenossen so hoch angesehen, dass er sich – als bekennender Katholik – selbst im Elisabethanischen Zeitalter nicht unterwerfen musste. Dass 2023 sein 400. Todestag begangen wurde, ist außerhalb der «Alte Musik-Szene» wohl kaum aufgefallen – was mit

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Españoletas / Concierto Iberico

Españoletas / Concierto Iberico

Es war die Zeit, in der die ersten Formen einer eigenständigen Instrumentalmusik entstanden, sich im Gebrauch verstetigten und rasch entwickelten. Als Mitte des 16. Jahrhunderts Intavolierungen von Motetten, Madrigalen und Chansons kaum mehr ausreichten, die Bedürfnisse der Stadtpfeifereien, aber auch der städtischen Eliten zu befriedigen, kamen stilisierte Tanzsätze, abwechslungsreich gestaltete Variationen oder auch Stücke über einen ostinaten Bass in Mode. Freilich geben die meist in Sammeldrucken überlieferten Sätze nur das notierte Gerüst einer viel bunteren Aufführungspraxis wieder – sowohl im Zentrum Europas wie auch in Spanien, von wo in dieser

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Josquin / Messen

Josquin / Messen

Wie leicht tut man sich doch bei Strawinsky oder Sibelius, Beethoven, Mozart oder Bach mit vollständigen CD-Editionen. Je weiter man aber in der Musikgeschichte zurückgeht, desto rarer werden solche Projekte. Die Gründe dafür mögen nur teilweise in der gelegentlich fraglichen Autorschaft liegen, denn sowohl die Quantität dieser Werke wie auch die dafür benötigte Extra-Spielzeit muten recht überschaubar an. Und so wurden auch zu Josquins 500. Todestag nahezu ausschließlich einzelne Alben veröffentlicht mit mehr oder weniger deutlichen Schnittmengen. Ausgenommen davon ist eine CD mit drei Mess-Vertonungen, gesungen von den Tallis Scholars

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Josquin / Chansons

Josquin / Chansons

Ein wenig abseits im Œuvre Josquins steht bis heute der größte Teil der drei- und vierstimmigen Chansons, meistenteils polyphon gestaltete Liedsätze auf weltliche Texte. Der Umstand ist wohl auch auf die weitgehende Unklarheit über die Authentizität zahlreicher Kompositionen zurückzuführen: Von den in der Gesamtausgabe abgedruckten 36 drei- und 39 vierstimmigen Werken sind gut die Hälfte als fraglich oder gar zweifelhaft gekennzeichnet. Ob solche heute als notwendig empfundene Zuschreibungen in diesem Bereich des Schaffens allerdings auch dem Geist des ausgehenden 15. Jahrhunderts entsprechen? Am Ende sollte vielleicht eher die kompositorische Originalität

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Josquin / Motets & Mass Movements

Josquin / Motets & Mass Movements

Vielleicht bedarf es wirklich erst des 500. Todestags, damit die Großartigkeit von Josquins Musik auch einem weiteren Kreis von Musikliebhabern bekannt wird. Ein breiteres Interesse mögen bisher wohl auch all jene Aufnahmen verhindert haben, die in den 1980er Jahren einen fast schon esoterisch anmutenden Wohlklang über die Kompositionen ausgossen – und damit entscheidende Aspekte der Musik negierten: ihre stets klare architektonische Disposition, die innere Dramaturgie, die einkomponierten Klangfarben und die jeweils einmalige Gestaltung. Knapp 40 Jahre später hat sich die Ästhetik verändert, haben sich die aufführungspraktischen Möglichkeiten erweitert. Zudem wird

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Josquin / Stabat Mater

Josquin / Stabat Mater

Messen, Motetten und Chansons bilden nicht nur bei Josquin die drei großen Gruppen seines Schaffens. Und während die Messen wegen ihrer Architektur vergleichsweise leicht zu überschauen sind und die Chansons aufführungspraktisch ein offenes Feld darstellen, verlangen die Motetten einen jeweils ganz eigenen, individuellen Zugriff. Dies betrifft nach außen hin Umfang, Aufbau und Anzahl der Stimmen, nach innen aber vor allem die Texte – und hier steht bei vielen Werken die Jungfrau Maria im Mittelpunkt. Damals wie heute sind es das Stabat Mater, das Salve Regina und Ave Maria, die immer

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1. Josquin

Josquin, the Undead

Nachdem im 14. und 15. Jahrhundert zahlreiche Komponisten (die zugleich wohl auch immer Sänger waren) zusehends aus dem Dunkel der Namenlosigkeit getreten waren, bildete sich an der Wende zum 16. Jahrhundert um Josquin Desprez und sein Schaffen ein geradezu modern anmutender Kult. Sein für jene Zeit ungeheures Selbstbewusstsein – möglicherweise inszeniert, mit Sicherheit aber auf einer in ganz Europa anerkannten schöpferischen Potenz gründend – schreckte jedenfalls Herzog Ercole I. d’Este nicht, den offenbar Unbequemen nach dessen Bedingungen 1503 als Kapellmeister zu engagieren. Bereits ein Jahr später verließ Josquin jedoch schon

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