18. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

1717. Memories of a Journey to Italy / Scaramuccia

1717 / Ensemble Scaramuccia

Musik nach Jahreszahlen zu ordnen, ist eine reizvolle Sache. Für die jüngst vergangenen Jahrzehnte fallen einem dazu wie selbstverständlich die im Dezember präsentierten Jahres-Charts ein; ältere Zeiten eröffnen hingegen (kultur-)geschichtliche Zusammenhänge. Im besten Fall zeigen sie uns Nachgeborenen etwas von der Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen – vor allem, wenn man sich das jeweilige Jahr mit den Augen und Ohren der Zeitgenossen zu denken versucht. Dass damit auch ein gewisser Reiz einhergeht, auch weniger bekannte Musik einem breiteren Auditorium schmackhaft zu machen, zeigen all jene Alben, die zuletzt mit einem entsprechenden «Jahresmotto» erschienen sind.

Ein buntes, abwechslungsreiches Repertoire an Sonaten für Violine und Basso continuo hat das spanische Ensemble Scaramuccia als Ergebnis einer musikalischen Reise durch das Italien des frühen 18. Jahrhunderts eingespielt. Es sind ausnahmslos Werke, die Johann Georg Pisendel (1687–1755) als Mitglied einer Abordnung der Hofkapelle im Gefolge des späteren August III. auf dessen Kavalierstour durch Italien 1716/17 zusammentrug und nach Dresden brachte. Durch Zufall in die katholische Hofkirche ausgelagert, überdauerte der Bestand die Zeiten bis ins 19. Jahrhundert und gilt seither unter der Bezeichnung seines ehemaligen Aufbewahrungsortes «Schranck No: 2» mit insgesamt ca. 1.800 Manuskripten als herausragende Sammlung jener Zeit. Die sechs vom Ensemble Scaramuccia ausgewählten Werke repräsentieren eine Momentaufnahme der Kunstfertigkeit italienischer Komponisten und Violinisten in einer Zeit, in der Concerto und Sonata als neue Formen avantgardistisch waren und vollkommen neue Wege des Komponierens ermöglichten. Davon ist bei dieser Aufnahme auch etwas zu verspüren, wobei Javier Lupiáñez (auf einem Instrument von 1682) den Notentext zwar rhetorisch ansprechend, doch nicht in jeder Lage frei gestaltet (auch wurden einige Schnitte nicht sauber, also unhörbar, gesetzt). Warum diese kammermusikalischen Raritäten wieder einmal in einer Kirche und damit akustisch zu weiträumig eingespielt wurden, erschließt sich mir nicht.

1717. Memories of a Journey to Italy.
Tomaso Albinoni. Sonate B-Dur (TalAl So32);
Giuseppe Tanfani. Sonate D-Dur;
Antonio Montanari. Sonate e-Moll:
Giuseppe Valentini. Sonate A-Dur;
Johann Georg Pisendel / Antonio Montanari. Sonate in E-Dur;
Antonio Vivaldi. Sonate G-Dur RV 25.

Ensemble Scaramuccia
Snakewood SCD 201801 (2018)

HörBarLondon ca. 1720. Corelli’s Legacy / La Rêveuse >>
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