27. Juli 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Berlin! / Andreas Sieling

Berlin! / Andreas Sieling

Einspielungen mit Orgelmusik sind vielschichtig. Es geht dabei nicht nur um das ausgewählte Repertoire und die ausführenden Musiker:innen, vielmehr spielt bei der Interpretation auch die Wahl des jeweiligen Instruments eine herausragende Rolle. Denn je nach Epoche und Klangästhetik sowie Bauweise, Disposition und Raum lassen sich ganz unterschiedliche Farben und Wirkungen erzielen (vor allem bei älteren Instrumenten kommt noch die Frage des Stimmtons und der vorliegenden Stimmung hinzu). Und so ist eigentliches jedes Album zugleich ein Portrait des jeweiligen Instruments und der von der Tontechnik direkt oder räumlich eingefangenen Akustik. Auf

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Eduard Erdmann / Mikhail Timoshenko

Eduard Erdmann / Mikhail Timoshenko

Eduard Erdmann (1896–1958) gehört zu den interessantesten Pianisten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – nicht nur als Interpret, sondern auch als Komponist. Zwar wurden seine vier Sinfonien schon vor langer Zeit auf CD eingespielt (allerdings sind nicht alle Produktionen mehr lieferbar), aber die bedeutende Sonate für Violine solo op. 12 (1921) ist noch erreichbar. Eine bisher unbekannte Seite des Œuvres stellen hingegen die Lieder dar als Beiträge zu einer Gattung, die auch in der Moderne ästhetisch eng mit dem 19. Jahrhundert verbunden war. Bereits ein flüchtiger Blick ins provisorische

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Hans Gál / Christian Immler

Hans Gál / Christian Immler

Man könnte etwas erschöpft meinen: «… und schon wieder werden verborgene Schätze gehoben». Zu sehr ist es in Mode gekommen und zur Pflicht geworden, ungedrucktes Repertoire zu entdecken und einzuspielen – oft genug wohl auch mit dem Gedanken, dass der güldene Strahl eines solchen Schatzes auch auf die Interpreten fallen möge. All das hat diese Produktion nicht nötig. Es ist eher umgekehrt: Christian Immler und Helmut Deutsch haben sich mit höchster interpretatorischer Kompetenz und gestalterischem Vermögen einem Korpus an Liedern gewidmet, die in jedem Takt durch ihre eigene Qualität sprechen.

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Irgendwo auf der Welt / Pia Davila

Irgendwo auf der Welt / Pia Davila

Ein wenig Filmschlager-Melancholie macht sich breit mit «Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück» aus dem Jahre 1933 – ein tiefer Seufzer, der noch heute aktuell wirkt und vermutlich daher auch für das Album titelgebend wurde. Mit insgesamt 28 Songs und Liedern deckt es ein breites Spektrum ab, vor allem mit Musik von Komponist:innen, die nach den 1933 einsetzenden politisch, kulturell oder «rassisch» motivierten Säuberungen verfolgt, wenn nicht gar in einem der Vernichtungslager ermordet wurden. Und so steht neben der Heiterkeit so mancher Nummer auch ein gewichtiger Schatten

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Bernhard Sekles / Malte Müller

Bernhard Sekles / Malte Müller

Noch einmal die Lieder aus dem Schi-King op. 15, nun mit Tenor. Doch auch in diesem Fall verlangt Bernhard Sekles (1872–1934) von seinem Interpreten alles und noch viel mehr, unter anderem Textverständlichkeit und eine absolute Souveränität in hohen Lagen. Malte Müller kann mich in diesen Punkten allerdings nicht gänzlich überzeugen. Man muss sich auf die Stimme einhören, um dem Text folgen zu können, denn die Stimme wirkt kehlig und verstellt damit ein wenig die Vokale. Auch hätte ich mir gerade in der Gattung «Lied» eine etwas intimere Akustik gewünscht; die

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Bernhard Sekles / Tehila Nini Goldstein

Bernhard Sekles / Tehila Nini Goldstein

Vor 15 oder 20 Jahren war der Name des einst so bekannten Komponisten Bernhard Sekles (1872–1934) nur noch jenen vertraut, die sich mit Hindemith, Adorno oder Rudi Stephan beschäftigten. Als deren pädagogisch fortschrittlicher Lehrer am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurter am Main, der die junge Generation nicht gängelte, sondern im eigenständigen Suchen kritisch begleitete, hat er später – als Direktor dieser Institution – mit der Einführung einer zur damaligen Zeit für viele undenkbaren Jazz-Klasse Geschichte geschrieben (1928). Um seine eigenen Kompositionen ist es indes erstaunlich still geblieben – eigentlich sogar bis

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Violin Concertos / Cecilia Zilliacus

Violin Concertos / Cecilia Zilliacus

Ein Album, dessen Programm mit einem Blick ins Booklet sofort verständlich und nachvollziehbar wird. Denn hier muss das Brahms’sche Violinkonzert neben den Konzerten von Amanda Maier (1853–1894) und Julius Röntgen (1955–1932) nicht als Zugpferd dienen; vielmehr vollzieht die Werkfolge eine historische Begegnung nach: Denn Amanda Maier und Julius Röntgen waren am Silvestertag 1878 in der Generalprobe zu der von Joseph Joachim gespielten und von Brahms selbst dirigierten Uraufführung des Opus 77 im Leipziger Gewandhaus zugegen. Beide zog es zudem in die Uraufführung, die zu einem großen Erfolg wurde. Es ist

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La Femme / Flaka Goranci

La Femme / Flaka Goranci

Ein Konzeptalbum, das mit knapp 77 Minuten Spielzeit viel Musik in sich hat –Musik von Komponistinnen verschiedener Jahrhunderte, Musik aber auch, die sich mitunter kaum greifen lässt, sondern irgendwo zwischen Orient und Okzident, zwischen unterschiedlichen Wurzeln und Kulturen, zwischen to¬naler Geschmeidigkeit und kantabler Melancholie gelegentlich in einem «easy listening» zerfließt oder untereinander kaum kommuniziert. Es ist ein Album, das die Idee des Crossover ernst nimmt und zu einer Reise in den Südosten Europas und darüber hinaus einlädt, deren Stationen aber seltsam nebulös bleiben und allein durch einen spürbar musikantischen Impetus

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Komponistinnen / Franziska Heinzen

Komponistinnen / Franziska Heinzen

Manche Zahlen kehren in enzyklopädisch geordneter Musik immer wieder. Oft ist es die «Sechs», seltener die «Zwölf», häufiger die «Vierundzwanzig». So auch bei diesem Album, dass zwar nicht systematisch durch alle Tonarten geht, wohl aber 24 Lieder von 24 Komponistinnen umfasst. Dahinter steht eine nicht geringe kuratorisch-dramaturgische Arbeit, nämlich die Sichtung eines fast unüberschau-baren Repertoires, die Auswahl einzelner Gesänge (auch mit Rücksicht auf Am-bitus und Charakter) sowie schließlich die schlüssige Anordnung zu einem in sich geschlossenen Programm. Gelungen ist das mit überraschenden Kontrasten und vielfach bisher nicht eingespielten Kleinoden. Was

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Nadia & Lili Boulanger / Lucile Richardot

Nadia & Lili Boulanger / Lucile Richardot

Sie gehören zu jenen Komponistinnen, die in den vergangenen Dekaden nicht erst «wiederentdeckt» werden mussten. Vielmehr ist die Musikgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (und nicht allein die französische, sondern auch die amerikanische) kaum ohne den Einfluss von Nadia Boulanger (1887–1979) als einflussreiche Pädagogin zu denken. Ihrer jüngeren Schwester Lili (1893–1918) war es vergönnt, im Alter von nur 19 Jahren als erste Komponistin den legendären Prix de Rome zu gewinnen. Sie starb allerdings – wissend um den nahen Tod und körperlich von Krankheit geschwächt – bereits mit 24 Jahren.

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ALMA – Meine Seele / Elise Caluwaerts

ALMA – Meine Seele / Elise Caluwaerts

Es ist nur wenige Jahrzehnte her, da reichte auf dem Cover eine nüchterne Inhaltsangabe: Alma Mahler-Werfel, Sämtliche Lieder (cpo, 1987), oder sprachlich etwas internationaler: Alma Mahler-Werfel, Complete Songs (abermals eine Einspielung bei cpo, 2000). Seither sind mindestens drei weitere Lieder im Druck erschienen, so dass heute 17 Gesänge vorliegen – anderes aus der Feder der berühmten «femme fatale» ist verloren oder verschollen. 2023 reicht es offenbar nicht mehr, einfach «complete songs» anzukündigen, und so erlaubt sich dieses Album mit dem Motto ALMA – Meine Seele nicht nur eine vorgebliche Intimität,

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Ombres / Laetitia Grimaldi

Ombres / Laetitia Grimaldi

Um es gleich zu sagen: So charmant die einzelnen Lieder gesungen werden, so inkonsequent wirkt das Album in der Konzeption auf mich – und fast stellt es sich damit sogar selbst ein Bein. Das beginnt mit dem reichlich indifferenten Motto «Ombres» (Schatten). Gemeint sind jene Schatten, aus denen nun einige Werke von Komponistinnen der französischen Belle Époque herausgeholt werden sollen. Ob aber alle gleichermaßen in der Vergangenheit dem Vergessen anheim gefallen sind, bleibt fraglich. Ob es sich sogar um eine «Zeugenaussage» handelt (so im Booklet zu lesen), darf bezweifelt werden.

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