19. März 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Chausson / Poème de l’amour et de la mer

Chausson / Poème de l’amour et de la mer

Vermutlich gehört Ernest Chausson (1855–1899) zu den prominentesten Opfern eine Fahrradunfalls. Nicht etwa in der Stadt, sondern auf dem Land in der Sommerfrische. Berg abwärts, eine scharfe Kurve, keine oder unzureichende Bremsen, eine Steinmauer. Zu diesem Zeitpunkt waren die beiden hier eingespielten Werke bereits vollendet. Es sind seine wohl bekanntesten, die zwischen 1886 und 1895 entstandenen Oper Le Roi Arthus op. 23 wird noch immer als Geheimtipp gehandelt. Chausson offenkundige musikalische Nähe zu Richard Wagner bezeichnete Edouard Lalo 1883 einmal als «Wagnérie purulente» (eine Wagner-Vereiterung) – kein Wunder, reiste Chausson

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Tales of the Sea / Lydia Maria Bader

Tales of the Sea / Lydia Maria Bader

«Und die See wird allen neue Hoffnung bringen, so wie der Schlaf die Träume bringt.» Und so geht die Hörbar diese Woche auf große Fahrt durch ruhige Gewässer wie auch in eher stürmische Gefilde. Den Anfang macht eine sehr stimmige und starke Produktion mit Klavierwerken, gespielt und zelebriert von Lydia Maria Bader. Bereits bekannt als Schatzsucherin mit einem Hang zu thematisch eng verzahnten Programmen, fährt sie hier aus auf den Ozean – vor allem mit dem dreiteiligen Le chant de la mer (1905) von Gustave Samazeuilh (1877–1967); einem Riesenwerk (25

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Dandrieu & Corelli / Le Consort

Dandrieu & Corelli / Le Consort

Was viele Jahrzehnte später als Streichquartett zum «Gesellenstück» wurde, das war um die Wende zum 18. Jahrhundert die Triosonate. In der Nachfolge von Arcangelo Corelli und maßgeblich beeinflusst von seinen Opera entstanden zahlreiche Sammlungen, in der Regel von sechs Sonaten. Hier ist auch das 1705 gedruckte «Opus 1» von Jean François Dandrieu (1682–1738) zu verorten, der sich frühbegabt den Tasteninstrumenten zuwandte und als Musiker bis zu einem der vier etatmäßigen Organisten an der Chapelle Royale in Versailles aufstieg. Dass von ihm nur weniges gedruckt wurde und nur wenig mehr erhalten

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Opus 1 Feminin / Kathrin Schmidlin

Opus 1 Feminin / Kathrin Schmidlin

Nicht einmal bei Komponisten findet sich diese Idee auf einem Album oder in einer Box derartig durchdekliniert: eine Zusammenstellung von Klavierwerken, die alle als gedrucktes «Opus 1» in die Welt traten und mit denen ihr Schöpfer sich empfehlen wollte. Hier nun kommen in knapp einer Stunde nicht weniger als acht Komponistinnen mit ihren Erstlingen zu Wort – von Clara Schumann bis Alicia Terzian (*1934). Präsentieren sich die Herren meist mit Streichquartetten oder Klaviertrios und nur selten mit Sonaten (Brahms und Berg) bzw. Variationen (Schumann), so sind es bei den Damen

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Leopold Hofmann / Musica Elegentia

Leopold Hofmann / Musica Elegentia

Am Ende seines Lebens wurde dem als Domkapellmeister in Wien wirkenden Leopold Hofmann (1738–1793) kein geringerer (aus heutiger Perspektive!) als Wolfgang Amadeus Mozart unbesoldet, aber mit der Aussicht auf Nachfolge zur Seite gestellt. Mozart starb unerwartet früher, und so übernahm Johann Georg Albrechtsberger die Vertretung wie auch später das Amt. Kompositorisch ist in Einspielungen nur wenig von Hofmann greifbar; sein 1775 erschienenes und nun eingespieltes «Opus 1» ist jedenfalls noch ganz dem galanten Stil zuzuordnen, manche Wendung und Phrase erinnert eher an Boccherini als an Haydn. Auf jeden Fall aber

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Sperger / Kammerakademie Potsdam

Sperger / Kammerakademie Potsdam

Schon lange ist Johannes Matthias Sperger (1750–1812), der zuletzt in der Hofkapelle des Mecklenburg-Schweriner Herzogs tätig war, kein Unbekannter mehr – und zwar sowohl auf dem Kontrabass wie auch als versierter Komponist seiner Zeit. Geläufig ist vielleicht seine «Anfangs-Sinfonie» (ein originelles Spiegelbild von Haydns «Abschieds-Sinfonie»); die Solokonzerte für «sein» Instrument haben es jedoch in sich. Auch der verschrobene Charakter in Patrick Süskinds Einakter Der Kontrabaß weiß darüber ein kurzes Klagelied anzustimmen. Beim Label cpo hat Spergers Musik seit einigen Jahren einen festen Platz, so dass aus dem Bereich der Kammermusik

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Lamoninary / Ensemble Hemiolia

Lamoninary / Ensemble Hemiolia

In der Ausgabe #111 widmet sich die Hörbar nicht etwa Einspielungen einer der bekannten Klaviersonaten Beethovens, auch nicht längst vergriffenen Veröffentlichungen des legendären Labels opus 111, sondern Produktionen, die sich einem «Opus 1» widmen. Die recht bunte Runde eröffnet die 1749 in Paris gedruckte Sammlung von Triosonaten eines gewissen Jacques-Philippe Lamoninary (1707–1802) – ein großer Unbekannter der Musikgeschichte. Wer in der MGG (auch online) sucht, wird nichts finden. Er soll sehr gut die Violine beherrscht haben, aber nach Paris scheint es ihn nicht (zumindest nicht nachhaltig) gezogen zu haben: Nach

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Maarten Ter Horst / Helikon Quartet

Maarten Ter Horst / Helikon Quartet

«Aimez-vous Brahms?» So jedenfalls wird man nach dem ersten Satz des hier eingespielten Streichquartetts Nr. 1 e-Moll aus den Jahren 2017/20 fragen. Natürlich handelt es sich um kein Plagiat, aber Maarten Ter Horst (*1987) knüpft hier ganz bewusst an der Harmonik und dem musikalischen Ausdruck der fortschreitenden zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an. Der Gestus erinnert tatsächlich in einzelnen Passagen an den großen Hamburger, dann aber geht es in Sequenzstrecken und Tremoli weiter, die einen eher an Schubert denken lassen. Ein Werk für eine Blindverkostung, die wohl manchen Experten in

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Stefano Scodanibbio / Arditti Quartet

Stefano Scodanibbio / Arditti Quartet

Seit seinem Tod ist es um die Musik von Stefano Scodanibbio (1956–2012) recht ruhig geworden. Das vorliegende Album eingeschlossen, sind lediglich drei CDs erschienen – zu wenig, wenn man sich auf die fantastische Klangwelt des zuletzt in Mexiko lebenden Italieners einlässt. Als der wohl bedeutendste Kontrabassist seiner Zeit kann Scodanibbio als Prototyp des alten wie neuen Interpreten-Komponisten gelten: Durch die von ihm erforschten und eingeführten Spielweisen erweiterte er auch seine eigene musikalische Sprache – nicht nur auf dem Bass, sondern weit darüber hinaus und wie hier für Streichquartett. Das bereits

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