7. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Beethoven 6–9 / Savall

Beethoven 6–9 / Savall
Beethoven 6–9 / Savall
Immer noch – oder schon wieder? Angesichts einer weiteren Einspielung der Sinfonien von Ludwig van Beethoven darf man sich diese Frage schon stellen. Was gibt nicht alles der Plattenschrank an Aufnahmen her, was lässt sich nicht darüber hinaus an unzähligen Produktionen im Streaming finden (mit dem auf Werkdaten basierenden Katalog bei idagio.com noch immer am leichtesten anzusteuern und aufzurufen). Und Jordi Savall gehört sicherlich nicht zu den Dirigenten, die einem bei diesen Dauerbrennern des Repertoires sofort einfallen. Hat hier die nun schon über 80 Lenze zählende Ikone der historischen Aufführungspraxis sich nur einen Wunsch erfüllt oder auch Neues gewagt? Jedenfalls verortet man ihn mit seinem Ensemble eher in weiter zurückliegenden Jahrhunderten – und neben Bach und Barock vielfach mit Konzepten, die die Kulturen des Mittelmeerraums miteinander in Beziehung setzen und vermitteln.

Was also gibt es in der Kombination aus Beethoven, Jordi Savall und Concert des Nations zu entdecken? Zunächst ist es die kleinere Streicherbesetzung, die die Partitur etwas lichter gestaltet. Dies ist freilich keine neue Idee, und auch keine, die Beethoven authentischer machen würde. Tatsächlich fällt eher auf, dass Savall bei seiner Interpretation neben dem einen oder anderen gelegentlich herausgespielten Absatz vieles erstaunlich traditionell oder zumindest sehr vertraut deutet. Nun ist das per se kein Argument, aber dennoch verblüfft mich dies. Ein paar schärfere Akzente oder die sehr trocken gespielten Pauken (etwa in der 7. Sinfonie) stellen wahrlich keine Innovation mehr dar. Bleibt die Neunte als ein Werk, bei dem sich alles erweisen muss: Auch wenn die ersten Takte ein wenig zerfasert wirken, setzen sich bald die revolutionäre Kraft der Komposition und ihr appellativer Charakter durch. Ebenso überzeugt das Finale (auch vokal), vor allem aber hört man im Schlagwerk nur selten eine so authentisch anmutende «türkische Musik».

Ludwig van Beethoven. Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 «Pastorale»; Sinfonie Nr. 7 op. 92; Sinfonie Nr. 8 F-Dur op. 93; Sinfonie Nr. 9 d-Moll op. 125
Sara Gouzy (Sopran), Laila Salome Fischer (Alt), Mingjie Lei (Tenor), Manuel Walser (Bass), La Capella Nacional de Catalunya, Le Concert des Nations, Jordi Savall

Alia Vox AVSA 9946 (2020/21)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 4 in Michael Kubes HörBar #057 – Sinfonisches