26. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
British String Quartets

British String Quartets

Manchmal wundere ich mich schon sehr, wenn eine allzu wohlfeile Box bereits vor(!) der eigentlich letzten Folge einer Serie erscheint – und die treuen Käufer so gewissermaßen doppelt betrogen werden: Erst investieren sie über die Jahre viel Geld in den Erwerb der Einzelveröffentlichungen, und am Ende haben sie in diesem Fall noch nicht einmal einen zeitlichen Vorteil genossen. Da sollten die Marketing-Experten noch einmal bei Joseph Haydn in die Lehre gehen, der sehr gezielt und mit nachhaltigem Erfolg seine Streichquartette zunächst exklusiv in Abschriften willigen Subskribenten anbot und dann –

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The British Project

The British Project

Da ist auch schon der erste Sündenfall. Dieses Album müsste eigentlich «The English Project» heißen – von schottischen, walisischen oder aus dem nördlichen Irland stammenden Komponisten keine Spur! Aber wem außerhalb des europäischen Kontinents will man derartige «Kleinigkeiten» von der Insel zumuten, wo doch vielerorts auch die «Bavarian Culture» als die ursprüngliche und ureigen deutsche durchgeht? – Die Zusammenstellung dieses «britischen» Projekts ist jedenfalls ziemlich düster. Rein gar nichts ist von dem selbstbewussten spätviktorianischen Ton der Jahrhundertwende präsent, viel eher wird hier die dunkle Schattenseite der Geschichte präsentiert. Elgars melancholische

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English Song Collection

English Song Collection

Ja, der «Brexit» ist noch gar nicht so lange her – doch schon jetzt vermisse ich die Insel im Chor der europäischen Nationen. Die Insel? Wohl eher ist es England – und so muss auch in dieser Hörbar-Woche immer etwas genauer hingeschaut werden: Was ist nun „Very British“ – oder eben doch «nur» very English? Selten war es wohl komplizierter, selten auch so einfach. Denn Naxos konzentrierte sich über lange zwei Jahrzehnte hinweg explizit mit einer Serie auf das «englische» Lied. Und es sei gleich gesagt: Ich habe vor solchen

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Helena Munktell

Helena Munktell

Sie pendelte je nach Saison und Jahreszeit zwischen Schweden und Paris und wusste den ihr in der Seine-Metropole als Komponistin entgegengebrachten Respekt sehr zu schätzen. So bemerkte Helena Munktell (1852–1919) geradezu programmatisch: «Es wäre dumm, zu Hause zu bleiben, wo kein Platz für einen ist! Besser im Ausland bereitwillig empfangen zu werden, als zu Hause gnädigerweise geduldet zu sein.» Nach einer grundlegenden Unterweisung in Stockholm (Klavier, Gesang und Komposition) wandte sie sich 1870 zunächst nach Wien, einige Jahre später aber nach Paris, studierte dort bei Benjamin Godard und Vincent d’Indy.

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It's a girl!

It’s a Girl!

Schon wieder ein Album mit einem Motto, das auf ein «!» endet. Und doch stellt sich auch hier die Frage, was genau denn nun mit dem affirmativen Ausrufezeichen gemeint ist. Kaum dürften es die Worte eines Arztes vor oder einer Hebamme nach der Geburt eines Menschenkindes sein. Doch wann sonst wird man in seinem Leben diesen Satz antreffen? Aber steht dann schon fest, dass aus dem Baby eine Komponistin wird? Mir sind das zu viele Ungereimtheiten. Im Booklet jedenfalls findet sich keine aufklärende Bemerkung, so dass der Ruf rasch verhallt.

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Signe Lund

Signe Lund

Es passiert nicht oft, dass eine Komponistin so konsequent aus der nationalen Musikgeschichte «hinausgeschrieben» wurde, wie dies bei Signe Lund (1868–1950) der Fall war. Früh schon erhielt die in besonderer Weise musikalisch Begabte von Edvard Grieg den Rat, nicht zu heiraten, im Wissen um die damit verbundenen Verpflichtungen, die sie dann tatsächlich für viele Jahre vom Konzertieren und Komponieren abhielten. Schließlich ließ sie ihre Familie in Norwegen zurück und wandte sich mit finanzieller Hilfe des Schwiegervaters (!) nach Berlin, Kopenhagen und Paris. Durch ihren zweiten Ehemann, einen französischen Architekten, gelangte

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Celebrating Women!

Celebrating Women!

Feiern ist immer gut. Früher stand das Wort für eine gediegene Veranstaltung geselliger Art. In der modernen Jugendsprache hat es hingegen eine durchaus andere Bedeutung erhalten, bei der nur ein Aspekt zur Hauptsache erklärt wurde. Wenn auf diesem Album nun explizit «Frauen» gehuldigt wird, so sind damit natürlich die hier berücksichtigten Komponistinnen gemeint. Kommt man aber in Feierlaune, weil es sich bei allen vier Werken um Ersteinspielungen handelt? Man muss sich jedenfalls nicht über die bisher ausgebliebene Rezeption der Partituren erhitzen: Wer genau hinschaut, wird sehen, dass es sich durchgehend

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Laura Netzel

Laura Netzel

Für den Titel dieser Folge der «Hörbar» steht eine Produktion des Labels Gramola Pate. Alternativ wäre auch ein bei Cobra Records erschienenes Album in Frage gekommen: Celebrating Women! – Andere Labels verzichten auf derartige reißerische Titel, sondern stellen ganz bewusst die jeweilige Komponistin mit ihren Werken ins Zentrum. Mir ist das weitaus sympathischer. Denn unter Berücksichtigung aller Kontexte zählt am Ende die Qualität der Werke, ebenso wie das Niveau der Interpretation. Skandinavische Labels haben das längst erkannt und setzen einfach den Namen der Komponistin ganz selbstverständlich und ohne Zusatz auf

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Thomas Larcher

Thomas Larcher

Eine Introduktion, zwei gewichtige instrumentale Sätze, vier Lieder. Thomas Larcher (*1963) hat mit Alle Tage (2010/15) ein bedeutendes Werk mit mehr als 45 Minuten Aufführungsdauer geschaffen, das formal scheinbar zwischen den Gattungen steht. Dabei definiert er es im Untertitel als «Symphonie für Bariton und Orchester» – zu Recht, denn die Anlage der Partitur erinnert an Gustav Mahlers vokal angereicherte «Wunderhorn»-Sinfonien, greift sogar hie und da den von dort vertrauten Duktus auf. Einen Duktus, der die Worte und Verse mit der Musik zusammendenkt, sie aufeinander bezieht, kommentiert und verstärkt. Larcher greift

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Zygmunt Stojowski

Zygmunt Stojowski

«Schon wieder ein unbekannter Romantiker!», möchte man ausrufen. Und tatsächlich wird wohl kaum jemand etwas von Zygmunt Stojowski (1870–1946) gehört haben. Geschuldet ist dies einer Biographie, in der es in einem entscheidenden Moment «go west» hieß. Abgesehen von der nach wie vor offenen (und vermutlich auch eher unerheblichen) Frage nach dem Geburtsort – zu viele Quellen gingen im Feuersturm des Zweiten Weltkriegs verloren –, findet man Stojowski zunächst als Schüler bei Władysław Żeleński in Krakau, dann bei Louis Diémer (Klavier) und Léo Delibes (Komposition) am Conservatoire in Paris. Mit seiner

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Jean Sibelius

Jean Sibelius

Seit der ultimativen Sibelius-Gesamteinspielung beim schwedischen Label BIS, die auch die verschiedenen Fassungen der Sinfonien einschloss (wie überhaupt «every note he ever wrote»), war es seltsam ruhig um Sibelius geworden – so als wäre das letzte Wort bereits gesprochen worden. Dabei half diese komplette Werkschau überhaupt erst einmal vieles zu verstehen und sich eigene Gedanken zu machen. Dass nun Klaus Mäkelä mit seinen 26 Jahren und dem Oslo Philharmonic eine weitere vollständige Sicht auf die Sinfonien wagt, ist daher nicht nur an der Zeit, sondern zeigt auch, dass noch immer

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Charles Koechlin

Charles Koechlin

Obwohl zahlreiche seiner Werke inzwischen auf CD verfügbar sind, gehört Charles Koechlin (1867–1950) noch immer zu den am wenigsten aufgeführten großen Komponisten der späten, zur musikalischen Moderne neigenden Romantik. Ohnehin verweigert sich sein individueller Stil jeder Form einer Schubladisierung – was wiederum eine breitere Rezeption erschwert. Tatsächlich weist nahezu jede seiner Partituren Überraschungen auf und bezaubert auf ganz eigene Weise immer wieder neu. In diesem Fall ist es die Seven Stars’ Symphony op. 132 (1933) – eine späte Komposition, wie auch alle anderen seiner insgesamt vier Sinfonien, von denen allerdings

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