Hier werden die musikalischen Ideen und Ansätze von Klaus Mäkelä geradezu kongenial eingefangen: mal die Herbheit der Klänge saftig aufnehmend (ma non troppo), mal mit dem breit malenden Pinsel das gesamte Spektrum ausfüllend. Denn Mäkelä analysiert nicht, er breitet den musikalischen Verlauf als eine Erzählung aus, der man sich nur allzu gerne hingibt – und an keinem Punkt enttäuscht wird. Das gilt für die heiklen Terz-Koppelungen der Holzbläser, dem rufenden Klang der Hörner, den mal kantigen, mal pulsierenden Akzenten des Schlagwerks und den vielfach herausgelösten Violinen. Man spürt geradezu, wie sich die Musiker die eigenartige, gelegentlich auch struppige Faktur erarbeitet haben. An Ende musste sie nicht bloß bewältigt, sondern konnte aus den Tiefen heraus gestaltet werden. Das macht sich vor allem in jenen Passagen bemerkbar, in denen Sibelius seine Motive und Themen erst generiert, bei denen in reduziertem Tempo der Verlauf verklingt oder an jenen Stellen, in denen der Satz klanglich aufbricht. Zudem ist es auch sehr sympathisch, dass die Sinfonie Nr. 1 als vorletzte (!) eingespielt wurde – was sich auch in den fraglos hart erarbeiteten, wundervoll weichen Basstönen des Scherzos spiegelt. – Und dennoch stören ein paar Kleinigkeiten. Die vier CDs sind chronologisch angelegt, so dass man bei der ein Paar bildenden 6. und 7. Sinfonie die Scheibe wechseln muss. Am Ende sind (mehr als nur ein Bonus) drei späte, seltsam fremdartige Fragmente beigefügt, zu denen aber kaum etwas im Booklet zu erfahren ist. Andrew Mellor standen dort ohnehin nur drei Seiten zur Verfügung, um etwas Substanzielles zu den Werken und der Intention des Dirigenten (mit O-Ton) zu schreiben – fraglos zu wenig Platz für solch eine gewichtige Produktion. Kompositionsdaten sind übrigens nirgends angegeben.
Jean Sibelius. Sinfonie Nr. 1 e-Moll op. 39, Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43, Sinfonie Nr. 3 C-Dur op. 52, Sinfonie Nr. 4 a-Moll op. 63, Sinfonie Nr. 5 Es-Dur op. 82, Sinfonie Nr. 6 d-Moll op. 104, Sinfonie Nr. 7 C-Dur op. 105, Tapiola op. 112, Drei späte Fragmente (HUL 1325, 1236/9, 1327/2)
Oslo Philharmonic, Klaus Mäkelä
Decca 485 2256 (2021)