25. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Anna Zhitnukhina

Anna Zhitnukhina

Ein Album, dass unbedingt gehört werden muss. Nicht nur wegen der Musik (Haydn bleibt auch in diesen mit leichter Hand für London 1784 geschriebenen Divertimenti immer originell), und auch nicht wegen der Interpretation (sie ist in jeder Weise äußerst ansprechend und zeigt die auf hohem Niveau bestens unterhaltende Musik von ihrer allerschönsten Seite). Maßgeblich ist die Entscheidung, sich nicht für oder gegen ein historisches oder modernes Instrumentarium entschieden zu haben. Noch vor ein paar Jahren wäre es wohl eine Gretchenfrage gewesen, inzwischen aber sind die Grenzen aufgehoben: Da werden zeitgenössische

Weiterlesen
Alexis Kossenko

Alexis Kossenko

Unter den im 19. Jahrhundert qualitativ wie quantitativ mit hochstehender Kammermusik bedachten Holzblasinstrumenten steht die Querflöte an erster Stelle. Für sie lässt sich bereits im Œuvre von Johann Nepomuk Hummel eine Sonate nachweisen; vor allem aber haben in einer sich gegenseitig befruchtenden Konstellation sowohl Komponisten des französischen Sprachraums wie auch die Maßstäbe setzenden Klassen des Pariser Conservatoire viel für das Repertoire getan. Aber «Undine»? Diese Produktion des französischen(!) Labels Aparté wendet sich bewusst Werken von Komponisten «du nord» zu, womit im Gegensatz zu der im Louvre ausgestellten Malerei wirklich das

Weiterlesen
Gaby Pas-Van Riet

Gaby Pas-Van Riet

Zwar sollte man alte Formulierungen nicht nach Jahrhunderten wörtlich in das aktuelle Hochdeutsch übernehmen – in diesem Fall greift aber irgendwie dann doch jene Wendung, die einst Carl Friedrich Zelter gegenüber Goethe für den zunächst in Rheinsberg, dann in Berlin und für einige Monate auch in Tallinn tätigen Waldhornisten, Dirigenten und Komponisten Georg Abraham Schneider (1770–1839) gefunden hat: Dieser habe «eine Menge artiger Stücke componiert». Eigentlich wäre dem kaum etwas hinzuzufügen, denn die vorliegende Einspielung von gleich drei Flötenkonzerten ist eindeutig als «artig» zu bezeichnen: im Sinne von manierlich und

Weiterlesen
Krzysztof Kaczka

Krzysztof Kaczka

Auch wenn es inzwischen draußen ziemlich herbstelt: Dieses Album mit Musik von Łukasz Woś (*1967) holt die schönsten Seiten des Sommers für eine gute Stunde zurück. Das liegt nicht nur an der nach sattem Grün und frischer Luft duftenden Aufnahme-Location (der Tjörnarp Kyrka in Schweden), sondern auch an der Musik selbst, die in keinem Takt aneckt. Łukasz Woś versteht es, wirklich idiomatisch für die Flöte zu komponieren, stilistisch dabei an die französische Musik der Jahrhundertwende anzuknüpfen (ich meine die zum 20. Jahrhundert) und sich dabei auf höchst angenehme Weise ins

Weiterlesen
Polyphonia Ensemble Berlin

Polyphonia Ensemble Berlin

Drei Werke aus drei Komponistengenerationen – und doch entstanden die Partituren innerhalb eines einzigen Jahrzehnts. Mehr aber noch handelt es sich in jedem einzelnen Fall um eine Rarität: im Repertoire, im Konzertsaal, auf CD. Das sich unkompliziert nach allen Seiten hin für seltene Besetzungen erweiternde Polyphonia Ensemble Berlin (es besteht aus Mitgliedern des Deutschen Symphonie-Orchesters) macht auf diesem Album seinem Namen und seiner Flexibilität alle Ehre. Musikalisch geht der Blick zurück ins Paris der Zeit um 1900 – großformatig mit dem Dixtuor von Théodore Dubois (1837–1924), tänzerisch mit zwei Sätzen

Weiterlesen
Oxalys

Oxalys

Hier ist schon das Cover ein echter Hingucker. Dabei ist der Messerschmitt Kabinenroller KR 200 keineswegs bloß ein historisches Modell: Er wird neuerdings wieder gebaut und ist auch mit einem E-Antrieb zu haben. Etwas für Liebhaber der späten 1950er Jahre, die mit wenig Gepäck unterwegs sind und auch einmal die Haube für den Umbau zum Cabrio abnehmen wollen. Was das schöne und farblich stimmige Artwork allerdings mit den eingespielten Nonetten zu tun hat, bleibt ein Rätsel… Musikalisch liegt der Charme zweifelsohne in der Werk-Auswahl; fast kann man schon von Raritäten

Weiterlesen
Anima Eterna Brugge

Anima Eterna Brugge

Dass dieses Album zu kurz wäre, kann man nun wirklich nicht sagen. Mit einer Spielzeit von 79’48“ geht es an die Grenze. Und wo es fast alle Ensembles bei der Einspielung von Schuberts Oktett belassen (immerhin mit einer Dauer von etwas mehr als einer Stunde), da legt hier die bunt gemischte Formation von Anima Eterna Brugge nach: nämlich das unterschätzte, kaum gespielte und noch seltener zu hörende Septett von Franz Berwald (1796–1868). Weder Werk noch Komponist haben weit und breit irgendein Jubiläum – was diese Produktion eigentlich gleich sympathisch machen

Weiterlesen
Linos Ensemble

Linos Ensemble

Der mühsame Weg zur Sinfonie bei Brahms ist legendär. Dass auf diesem steinigen Pfad in den Jahren 1857 bis 1859 in Detmold gleich zwei veritable Serenaden entstanden, wird oft genug übersehen – aus verschiedenen Gründen. Da wäre zunächst – so simpel es klingt – die Benennung der Werke als «Serenaden», die nach «Nachtmusik» (so Brahms selbst) klingt. Geradezu kurios mutet heute die nur zwischenzeitliche Bezeichnung der späteren Umarbeitung von op. 11 als «Sinfonie-Serenade» an. Das Werk zählt zudem sechs Sätze, das op. 16 immerhin fünf. Ferner fallen die beiden Werke

Weiterlesen
Wigmore Soloists

Wigmore Soloists

Für mich zählen Kompositionen in gemischten Besetzungen (zumal ohne Klavier) mit zu den schönsten Schöpfungen, die einem Kammermusik seit dem Ende des 18. Jahrhunderts zu bieten hat. Und ich meine dabei all jene Opera, die dem Titel nach als Septett, Oktett, Nonett etc. bezeichnet werden. Natürlich handelt es sich um Einzelwerke mit ganz charakteristischen Klangfarben (sowohl der Besetzung wie auch dem Personalstil nach), und dennoch weisen sie ein unüberhörbar engmaschiges Netz an Beziehungen auf. Schuberts Oktett D 803 ist etwa ohne das Septett op. 20 von Beethoven nicht zu denken

Weiterlesen
The British Line

The British Line

Bei manchem Album kann man sich über die angegebene Spielzeit wundern. Oft genug ist sie mit nur knapp einer halben Stunde (!) verstörend kurz, viel zu selten geht sie mit mehr als 80 Minuten an die äußersten Grenzen des technisch Machbaren. Die letzte der 16 CDs dieser «britischen» Box erreicht tatsächlich nahezu diese Marke – und sie wird vielleicht die am meisten aufgelegte sein: die Last Night of the Proms der 100. Saison. Was für ein wahrlich britisch-englisches Spektakel, dessen ungebrochener Nationalstolz den Kontinental-Europäer tief beeindruckt – und nachvollziehbar macht,

Weiterlesen
Very British

Very British

Knapp vier Minuten Musik sorgen dafür, dass dieses Album seinen Titel rechtfertigen kann. Denn neben «Klassikern» der englischen «Music for Strings» ist auch etwas von dem walisischen Komponisten Karl Jenkins (geb. 1944) zu hören, das man aus ganz anderen Zusammenhängen kennt – und wiedererkennt: Sein Allegretto untermalte Anfang der 1990er Jahre funkelnde Diamanten-Werbung von De Beers. Dass der Satz später in ein dreisätziges, mit Palladio überschriebes Concerto grosso integriert wurde, ist dem Booklet zu entnehmen, nur dass eben auch in diesem Fall (wie in allen anderen aktuell verfügbaren Einspielungen auch)

Weiterlesen
British String Quartets

British String Quartets

Manchmal wundere ich mich schon sehr, wenn eine allzu wohlfeile Box bereits vor(!) der eigentlich letzten Folge einer Serie erscheint – und die treuen Käufer so gewissermaßen doppelt betrogen werden: Erst investieren sie über die Jahre viel Geld in den Erwerb der Einzelveröffentlichungen, und am Ende haben sie in diesem Fall noch nicht einmal einen zeitlichen Vorteil genossen. Da sollten die Marketing-Experten noch einmal bei Joseph Haydn in die Lehre gehen, der sehr gezielt und mit nachhaltigem Erfolg seine Streichquartette zunächst exklusiv in Abschriften willigen Subskribenten anbot und dann –

Weiterlesen