7. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

It’s a Girl!

It's a girl!
It’s a girl!

Schon wieder ein Album mit einem Motto, das auf ein «!» endet. Und doch stellt sich auch hier die Frage, was genau denn nun mit dem affirmativen Ausrufezeichen gemeint ist. Kaum dürften es die Worte eines Arztes vor oder einer Hebamme nach der Geburt eines Menschenkindes sein. Doch wann sonst wird man in seinem Leben diesen Satz antreffen? Aber steht dann schon fest, dass aus dem Baby eine Komponistin wird? Mir sind das zu viele Ungereimtheiten. Im Booklet jedenfalls findet sich keine aufklärende Bemerkung, so dass der Ruf rasch verhallt.

Zudem muss sich das Album einer gewissen Konkurrenz stellen. Dies gilt insbesondere für das Trio von Louise Farrenc (1804–1875), das im Original eine Flöte statt der Violine verlangt und in dieser gar nicht so unüblichen Besetzung bereits mehrfach eingespielt wurde. Sie durch eine Violine zu ersetzen mag zwar historisch und aufführungspraktisch legitim sein, und doch verliert das Werk auf diese Weise eine sehr bewusst komponierte idiomatische Farbe. Farben gilt es auch beim späten Klaviertrio von Amy Beach (1867–1944) herauszuarbeiten, denn es handelt sich um das letzte Wort einer bedeutenden Komponistin. Doch auch hier mutet mir die Interpretation des Trios Irnberger / Geringas / Moser genau an jenen Stellen, die ohnehin schwierig zu gestalten sind, zu indifferent an. Diese Tendenz zeigt sich leider auch in den beiden Sätzen (Soir – Matin) von Mélanie Hélène Bonis (1858–1937), die mehr impressionistische Atmosphäre verlangen. Eine vorzügliche Bereicherung des Repertoires stellt das Trio Cornwall (1966) von Julia Frances Smith (1905–1989) dar – einer Komponistin, die sehr eigenwillig und selbstbewusst mit der Tradition umgeht und abseits des Mainstreams «modern» wirkt. In der Alten Welt nahezu unbekannt, sollte man ihr umfangreiches Œuvre (soweit überhaupt möglich) einmal genauer durchhören.

Louise Farrenc. Trio für Flöte, Violoncello und Klavier e-Moll op. 45 (1857); Mélanie Hélène Bonis. Soir – Matin (1907); Amy Beach. Klaviertrio a-Moll op. 150 (1938); Sonia Eckhardt-Gramatté. «Ein wenig Musik» (1910); JuliaFrances Smith. Trio Cornwall (1966)
Thomas Albertus Irnberger (Violine), David Geringas (Violoncello), Barbara Moser (Klavier)

Gramola 99225 (2019)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 4 von 5 in Michael Kubes HörBar #063 – It's a Girl!