Doch scheinen mir gerade hier die Fallstricke einer Einspielung zu lauern, die einer Dirigentin gewidmet ist, die sich an ihrer neuen Wirkungsstätte noch orientiert. Wer je die Tallis-Fantasia in der Einspielung von 1972 mit der Academy of St. Martin in the Fields gehört hat, das vorsichtige Hineintasten in die Partitur, als ob ein Vorhang zur Vergangenheit geöffnet würde, in die man tief berührt, ja innerlich bebend eintritt, der wird von der zwar klanglich weitaus attraktiveren, aber deutlich glatteren Interpretation von Mirga Grazinyte-Tyla und ihrem City of Birmingham Symphony Orchestra enttäuscht sein: Bereits das anfängliche Pizzicato ist allzu streng im Metrum, später blühen die Streicher kaum aus sich selbst heraus auf, statt poetischer Atmosphäre vermittelt die Realisierung im glasklaren satten Sound eher den Eindruck strenger Kalkulation. Mich lässt das kalt, ebenso wie die Sinfonia da Requiem – die von einem ganz anderen, mir nicht ganz verständlichen aufführungspraktischen Standpunkt aus gespielt wird. Unglücklich zudem der Essay im Booklet, der unentschlossen zwischen validen Informationen und eingestreuten subjektiven Zitaten pendelt. Da waren wohl auch die Fragen nicht allzu gut gestellt.
The British Project
Edward Elgar. Sospiri op. 70; Benjamin Britten. Sinfonia da Requiem op. 20; William Walton. Troilus and Cressida, Symphonic Suite (arr. Christopher Palmer); Ralph Vaughan Williams. Fantasia on a Theme by Thomas Tallis
City of Birmingham Symphony Orchestra, Mirga Grazinyte-Tyla
Deutsche Grammophon 486 1547 (2020, 2021)