30. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Grazyna Bacewicz / Joanna Sochacka

Grazyna Bacewicz / Joanna Sochacka

Zu den prominentesten Komponistinnen des 20. Jahrhunderts zählt ohne Frage Grazyna Bacewicz (1909–1969). Und doch findet man ihren Namen eher im CD-Katalog als auf Konzertprogrammen. Die Gründe werden so vielseitig sein wie das Leben selbst, allerdings dürfte der Kalte Krieg mit seinem Eisernen Vorhang eine gewisse Rolle gespielt haben. Später waren es Komponisten einer anderen Generation, die von Polen aus die musikalische Welt mit dann auch gefälligeren Klängen eroberten. Bacewicz, die selbst auf der Violine und dem Klavier zuhause war, schuf ein verblüffend weitläufiges Œuvre mit nicht weniger als sieben

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Erling Blöndal Bengtsson

Erling Blöndal Bengtsson

Dieses Doppel-Album setzt einen Schlusspunkt unter eine beeindruckende Reihe mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen des dänischen Jahrhundert-Cellisten Erling Blöndal Bengtsson (1932–2013). Es zeigt zugleich, wie viele und welch großartige Schätze noch in den Rundfunkarchiven der Wiederentdeckung harren, bevor die meist staubig gelagerten analogen Bänder sich gänzlich entladen. Dass hier ein kulturelles Erbe, ein beachtlich großer Teil der Musik- und Interpretationsgeschichte des 20. Jahrhunderts auf Sicherung und Sichtung wartet, ist leicht vorstellbar, nicht aber, auf welch’ unterschiedliche Weise damit umgegangen wird. Hier lohnt die Lektüre des Nachworts von Jesper Buhl – möglicherweise

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Bacewicz, Penderecki / Roman Jablonski

Bacewicz, Penderecki / Roman Jablonski

Nach einer ersten Folge mit alter und neuer Kammermusik setzt das polnische Label DUX seine Reihe «Polish Cello» mit vorzüglichen Archiv-Aufnahmen von zwei gewichtigen Kompositionen fort – dem jeweils mit «Nr. 2» bezeichneten Konzert von Grazyna Bacewicz (1963) und Krzysztof Penderecki (1982). Ausgewählt wurden erneut Interpretationen mit Roman Jablonski als Solisten, der inzwischen seinen 75. Geburtstag feiern konnte. Es liegt an der aktuellen Katalogpolitik, dass von seinen teilweise bedeutenden Einspielungen derzeit nichts greifbar ist – allen voran das Cellokonzert von Witold Lutosławski. Umso mehr dokumentiert das vorgelegte Album den hohen künstlerischen

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Nørgård, Ruders / Wilhelmina Smith

Nørgård, Ruders / Wilhelmina Smith

Es gibt sie – jene Alben, die einen auch nach längerer Beschäftigung und mehrfachem Hören einigermaßen ratlos zurücklassen. Das kann bei «Klassikern» des Repertoires passieren, bei Raritäten oder auch moderner, wenn nicht gar zeitgenössischer Musik. Man darf sich nie täuschen lassen und von der Interpretation auf die tatsächliche musikalische Qualität der Werke und ihren Ausdruck schließen. So sorgten besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts oftmals drittklassige Einspielungen dafür, dass sich Fehleinschätzungen breit machten – vom schwerfälligen, aber kaum zu stoppenden Rollkommando für «festliche Barockmusik» über das selbstgefällig-halbherzige Abspielen

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Shoko Kuroe: Snow

Shoko Kuroe: Snow

Sommer, Sonne, Sonnenschein. Eine gute Zeit für Gedanken an Schnee. Angeblich gibt es Kulturen, die sehr viele Worte für Schnee haben. Diese CD der Pianistin Shoko Kuroe zeigt, dass wir auch viele Töne für Schnee haben – allein schon auf dem Klavier. Und niemand wird wohl ermessen können, wie viele Töne es für Schnee noch jenseits des Klaviers gibt und wie viele Schnee-Klänge, die nicht titel- oder assoziationsgebend geworden sind. Einen kleinen Ausschnitt bringt diese Zusammenstellung der Pianistin und doch einen Fächer aus Zeit, Klang und Empfindung. Kalt wird einem

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Les Vents Français / Moderniste

Les Vents Français / Moderniste

In einer langen und bedeutenden Tradition von französischen Bläservereinigungen steht das Ensemble «Les Vents Français». Der Name ist vollauf gerechtfertigt, denn hier haben sich schon vor mehr als anderthalb Jahrzehnten erstklassige französische Solisten zu gemeinsamer Kammermusik zusammengefunden und propagieren die im Konzertleben unterrepräsentierte Formation mit Esprit und einem Niveau, das nur wenige erreichen oder erreicht haben. Zugleich ist das mit Éric Le Sage am Klavier erweiterte Ensemble eher im 20./21. Jahrhundert zuhause als im Bereich der Klassik und Romantik, wo der lohnende Werkbestand doch eher überschaubar ist. Charakteristisch für die

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Cantabile Gardonyi Cover

Gárdonyi / Chorwerke

Vater und Sohn auf einer CD vereint. Das klingt nicht nur auf dem Papier schlüssig, sondern funktioniert in dieser exzellenten Produktion mit je elf Chorwerken von Zoltán Gárdonyi (1906–1986) und Zsolt Gárdonyi (geb. 1946) auf geistliche und weltliche Texte auch hervorragend, wobei acht Stücke erstmals eingespielt sind. Cantabile Regensburg gelingt es unter Matthias Beckert, die verschiedenen hier vertretenen Stilistiken in einem perfekten, farbig aufgefächerten Chorklang zu vereinen. Diese changieren beim Vater zwischen archaisierenden Satztechniken und einer ganz eigenen, herbe Detailreibungen ganz selbstverständlich in das Klangkontinuum integrierenden Sprache. Den größten Eindruck

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Paris / Hilary Hahn

Paris / Hilary Hahn

Eine CD ist mehr als nur ein Silberling. An ihr zählt auch die Verpackung, einschließlich das Artwork des Covers. In diesem Fall zeigt es ein farbensattes Blütenmeer, in dem sich Hilary Hahn sichtlich wohlfühlt. Vielleicht das richtige Bild zu einer grauen Jahreszeit – und doch: Welche Botschaft mag sich hinter den Blumen verstecken? Sind sie ein Gruß an Einojuhani Rautavaara, von dem die beiden letzten Werke hier erstmals eingespielt wurden? Oder ist alles doch nur Zufall? Mit «Paris», so das Motto des Albums, haben sie wohl nur wenig zu tun.

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Penderecki: Lukas-Passion

Penderecki: Lukas-Passion

Es muss immer wieder erstaunen, wie souverän Penderecki vor dem Hintergrund der langen Gattungsgeschichte die Leidensgeschichte Jesu erzählt, sie nicht mit den gerade erst erprobten Cluster-Klängen und neuen Techniken als kompositorischen Selbstzweck inszenierte, sondern durch sie das Geschehen erst vergegenwärtigt und erfahrbar macht. Vielmehr ist es Penderecki gelungen, mit wenigen markanten Tonkonstellationen und wiederkehrenden Motiven ein das Werk durchziehendes Netzwerk anzulegen. Gleichwohl sind die beiden Teile der Passion unterschiedlich angelegt. Während im I. Teil mit der Szene am Ölberg, der Gefangennahme und Verleugnung Christi durch Petrus, dann mit der Verspottung durch

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XIII – Quatuor Ardeo

XIII – Quatuor Ardeo

Mancher mag auf den ersten Blick von einem gelungenen „Konzept-Album“ sprechen. Dem ist allerdings entschieden zu widersprechen; denn das Quatuor Ardeo („ich brenne“) eifert hier nicht einer hippen Idee nach, sondern steigt dank einer gelungenen Programmdramaturgie in die Tiefen der Musik. Mit dem so kargen wie rätselhaften Titel „XIII“ (13) verknüpfen die vier Musikerinnen die eingespielten Werke in einer artifiziellen, doch höchst instruktiven Zahlenmystik: Im Zentrum steht Black Angels von George Crumb – ein noch immer radikales Werk, das die ästhetischen Rahmenbedingungen des Streichquartetts nicht über den Haufen wirft, sondern

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Alban Berg Quartett – Complete Recordings

Alban Berg Quartett – Complete Recordings

37 Jahre bestand das legendäre Alban Berg Quartett, das mit seinen Interpretationen selbst ein Stück Gattungsgeschichte geschrieben hat. Auch wenn die Formation (anders als andere) nur wenige neue Partituren zur Uraufführung brachte, so hatte sie sich nie ausschließlich dem klassisch-romantischen Repertoire verschrieben (auch hier: anders als andere). Überdies finden sich Produktionen, die über ihre angestammte Domäne hinausgehen: Walzer von Strauß I und II sowie Lanner, teilweise in Arrangements der Zweiten Wiener Schule (eingespielt 1992), und Tango Sensations mit Werken von Astor Piazzolla & Co. (2003). Als sich das Quartett 2007

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Hans Werner Henze: Der Prinz von Homburg

Hans Werner Henze: Der Prinz von Homburg

Nur selten inszeniert und kaum eingespielt gilt Hans Werner Henzes Der Prinz von Homburg aus dem Jahre 1960 vielen noch immer als Geheimtipp. Denn das Werk ist ein wenig unbequem. Erst passte Heinrich von Kleists Drama nicht in das Weltbild des strengen «Preußentums», dann wurde es im Dritten Reich vereinnahmt, um später nur zögerlich wieder auf die Bühnen zu kommen. Der Anti-Held, der nach einem Urteil des Kriegsgerichts seinen kurz bevorstehenden Tod fürchten muss, mag sicherlich nicht gleich als Ideal gesehen worden sein – zumal die Brandenburger nach erfolgter Begnadigung

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