24. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
The Carl Nielsen Quintet

The Carl Nielsen Quintet

In diesem Fall täuscht der Name des Ensembles. Denn das dänische Carl Nielsen Quintet hat auf dem Album nicht etwa das eine phänomenale Werk des Namenspatrons aufgenommen, sondern fünf Kompositionen des jungen Niels Viggo Bentzon (1919–2000) – und davon gleich vier Partituren in Ersteinspielung. Zu Gehör kommt damit einer der produktivsten und im Verhältnis dazu: unbekanntesten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Nahezu 1000 Kompositionen zählt das Werkverzeichnis von Bentzon. Die fünf Nummern für Holzbläserquintett stammen aus der ersten Zeit zwischen 1943 (op. 21) und 1958 (op. 116) und zeigen deutlich seine

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ARUNDOSquintett

ARUNDOSquintett

Denkt man an das Holzbläserquintett, kommen einem bald die repertoirebildenden Werke von Anton Reicha und Franz Danzi in den Sinn. Auch wenn die an Klangfarben so reiche Besetzung aus Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott nach diesem furiosen Start im frühen 19. Jahrhundert alsbald als Gattung stagnierte, ist sie seit den 1920er Jahren umso lebendiger. Beigetragen haben dazu zunächst herausragende Einzelkompositionen ganz unterschiedlicher Couleur (Hindemith, Schönberg, Carl Nielsen), seit einigen Jahren sind aber wieder neue junge Ensembles «am Start» – und mit ihnen geht es geradewegs auf Entdeckungstour durch den

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Patagonia Express

Patagonia Express

Je südlicher man sich auf den amerikanischen Doppelkontinent denkt, desto größer wird die Sehnsucht. Patagonien steht für weite Landschaften und fast unendlich scheinende Wegstrecken hin zu schroffen Gipfeln, mächtigen Abbruchkanten und Eisbergen, die Pinguine nicht zu vergessen. Und man erinnert sich an den Old Patagonian Express von Paul Theroux (1979), der den Autor bis ins (vergleichsweise) nördliche Esquel führte – ein Reiseroman wie aus einer anderen Zeit. So melancholisch wie die Musik von Astor Piazzolla. Und damit spricht dieses Album vielleicht eher die individuellen Vorstellungen, Erinnerungen und Träume jedes Einzelnen

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Time Diaries

Travel Diaries

Reisetagebücher sind immer eine interessante Lektüre. Sie berichten über unerwartete Begegnungen, manchmal über böse Überraschungen, in der Regel aber auch über Dinge des Alltags, die sonst kaum einmal im Fokus stehen. Diese Umstände machen daher noch heute die Briefe von Wolfgang Amadeus Mozart an seinen Vater (aus München, Mannheim, Paris) besonders lesenswert – während in der Gegenwart wohl kaum noch jemand etwas festhält, da ja auch die mehr bildlichen «Statusmeldungen» nach 24 Stunden wieder gelöscht werden. Wie aber ein tönendes Tagebuch des Reisens aufzeichnen und festhalten? Das Münchner Goldmund Quartett

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Time Travel

Time Travel

Hier darf man sich getrost aussuchen, ob man im Lauf der Jahre den Anschluss verpasst oder das Personal Verspätung aus der vorherigen Fahrt hat. Ja, auch das musikalische Reisen ist nach wie vor ein Abenteuer. Und wer sein Album Time Travel nennt, muss sich am letzten neuzeitlichen Abenteuer messen lassen. Ich muss aber leider gestehen: Diese Produktion lässt mich kalt wie der tiefste Winter. Die Idee, Musik von Purcell und den Beatles zu verbinden und mitunter klanglich neu zu deuten, hat zwar einen gewissen Reiz – und wer genau hinhört,

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Oxalys

Oxalys

Hier ist schon das Cover ein echter Hingucker. Dabei ist der Messerschmitt Kabinenroller KR 200 keineswegs bloß ein historisches Modell: Er wird neuerdings wieder gebaut und ist auch mit einem E-Antrieb zu haben. Etwas für Liebhaber der späten 1950er Jahre, die mit wenig Gepäck unterwegs sind und auch einmal die Haube für den Umbau zum Cabrio abnehmen wollen. Was das schöne und farblich stimmige Artwork allerdings mit den eingespielten Nonetten zu tun hat, bleibt ein Rätsel… Musikalisch liegt der Charme zweifelsohne in der Werk-Auswahl; fast kann man schon von Raritäten

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Tuba Concerto

Tuba Concerto

John Williams gehört fraglos zu jenen Komponisten, von denen nur ein Teil des gesamten Schaffens bekannt ist. Fast ergeht es ihm so wie einst Carl Czerny – der erst am Ende seines Lebens erschrocken bemerkte, dass ihn alle Welt nur wegen seiner Etüden kennen würde; seine Sinfonien und Streichquartette (missing links aus dem 19. Jahrhundert) blieben ungedruckt liegen und werden erst jetzt wiederentdeckt. Bei Williams steht die Sache etwas anders. Wikipedia verzeichnet einen Katalog von konzertanten Werken (allein zwölf veritable «Concerts»), während man allerlei Hymnen und Fanfaren als Gelegenheitsarbeiten einstufen

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Ukrainian Piano Quintets

Ukrainian Piano Quintets

So leicht man sich heute tut mit nationalen Identitäten, die im 19. Jahrhundert gewachsen sind und in staatliche Strukturen mündeten, so schwer fällt dies für viele Kulturen im östlichen Europa, die durch das russische Zarenreich und danach nochmals im Stalinismus unterdrückt wurden. Erst die unverhoffte späte Selbstbestimmung seit den 1990er Jahren führte zum Anknüpfen an ältere Traditionen und damit auch zur Suche nach dem eigenen Erbe und eigenen Ausdrucksmöglichkeiten. Dass diese Suche nicht erst seit Februar 2022 bedroht wird, zeigt sich aktuell am breiten Strom des Dnipro, aber auch in

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Americaspaces / Robert Trevino

Americaspaces / Robert Trevino

Da hat das Land im Selbstverständnis und dem Sagen nach unbegrenzte Möglichkeiten – und doch kommt eine hoch interessante Einspielung mit «echter» Musik aus den Vereinigten Staaten ausgerechnet aus der «Alten Welt». Nun ließe sich trefflich über lange und kurze Ohren (Mozart) sinnieren; am Ende bleibt allein die Frage, welcher Klangkörper dieses vermeintliche Repertoire-Risiko eingeht und welches Label mitzieht. In diesem Fall waren es das erstaunlich jung besetzte Baskische Nationalorchester unter der Leitung von Robert Trevino (der offenbar auch für die Werkauswahl verantwortlich zeichnet) und das finnische Label Ondine, in

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American Sonatas

American Sonatas

Alle mögen gerade auf dem Cover eines Albums ein griffiges Motto. Und weil das schon länger so ist, kommt es irgendwann zu mehr oder weniger beabsichtigten Dopplungen. Im Bereich der poetischen Titel dürfte es besonders problematisch werden, verstecken sich doch hinter diesen meist vom Repertoire her bunt gemixte Konzeptalben. Was aber, wenn das Motto den Inhalt selbst aufgreift und die Produktion damit verwechselbar wird? Der Titel American Sonatas (gemeint sind Stücke von Komponisten aus den Vereinigten Staaten) findet sich auch auf anderen CDs, und gelegentlich gar mit identischen Werken. Im

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Crossroads / American Violin Sonatas

Crossroads / American Violin Sonatas

Ein wenig musste ich dann doch schmunzeln. Natürlich kann man solch ein hübsches Album mit drei Violinsonaten aus den Vereinigten Staaten unter ein Motto stellen. Auch die «Crossroads» sind hier im musikalisch Sinne in gewisser Weise akzeptabel. Aber warum nur muss Mark DeVoto im Booklet über die mehr oder weniger fortgeschrittenen Lebensreisen der Komponisten und Interpreten gefällig schwadronieren, um endlich zu dem Schluss zu kommen: «Auf diesem Album kreuzen sich all diese Wege.» Hm, nun ja, kreuzen sich nicht auf jedem Album dieser Welt irgendwelche Wege? Kreuzungen lassen sich jedenfalls

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Karel Husa / Tomáš Brauner

Karel Husa / Tomáš Brauner

Er ist einer der großen tschechischen Komponisten des 20. Jahrhunderts – und doch dürfte Karel Husa (1921–2016) den wenigsten allein dem Namen nach bekannt sein. Der Grund dafür sind die politischen und ideologischen Verhältnisse, die dazu führten, dass er Europa in den 1950er Jahren den Rücken kehrte: Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs blieb er in Prag unbehelligt und studierte bis 1951 in Paris bei Arthur Honegger. Als ihm von der Heimat her ein zunehmend scharfer Wind entgegen blies, blieb er vorerst in Frankreich, nahm dann aber 1954 eine Professur

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