6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Nørgård, Ruders / Wilhelmina Smith

Nørgård, Ruders / Wilhelmina Smith
Nørgård, Ruders / Wilhelmina Smith

Es gibt sie – jene Alben, die einen auch nach längerer Beschäftigung und mehrfachem Hören einigermaßen ratlos zurücklassen. Das kann bei «Klassikern» des Repertoires passieren, bei Raritäten oder auch moderner, wenn nicht gar zeitgenössischer Musik. Man darf sich nie täuschen lassen und von der Interpretation auf die tatsächliche musikalische Qualität der Werke und ihren Ausdruck schließen. So sorgten besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts oftmals drittklassige Einspielungen dafür, dass sich Fehleinschätzungen breit machten – vom schwerfälligen, aber kaum zu stoppenden Rollkommando für «festliche Barockmusik» über das selbstgefällig-halbherzige Abspielen von «Kleinmeistern» bis hin zu Werken der neuen und zeitgenössischen Musik, denen spürbar Unentschlossenheit entgegengebracht wurde.

So ist es auch bei dieser CD mit Werken dänischer Komponisten für Violoncello solo. Hochkarätig sind die drei Sonaten von Per Nørgård, während die Bravourstudien von Paul Ruders sich nahtlos (und intellektuell kurzweilig!) in die Tradition jener Nummern einfügt, auf die schon der Titel verweist. Allerdings vermag die Aufnahme mit der amerikanischen Cellistin Wilhelmina Smith in vielfacher Hinsicht nicht zu überzeugen: Da wäre zunächst die trockene Akustik (Sundin Music Hall, Hamline University, St. Paul/MN), dann der unvorteilhaft in Nebel oder besser: «trübe Wasser» getauchte Ton des Instruments (durchgehend nasal, doch in hoher Lage ohne Glanz und auf der C-Saite recht hölzern). Hier entsteht der Eindruck eines bemühten Spiels, das mit den Noten kämpft, statt diese interpretatorisch frei zu gestalten. Wie anders klingen die Werke in den älteren Einspielungen von Morten Zeuthen, einem der ganz großen dänischen Meister seines Instruments (erschienen bei dacapo): ganz in Poesie gehüllt, frei atmend und in weiten, vorausschauend geformten Bögen. Doch auch die von Søren Schauser verfassten «liner notes» machen es einem nicht leicht. Hier spricht eine von der Geschichte verletzte Wikinger-Seele über längst vergangene große Zeiten und schürt auf internationaler Ebene nachbarschaftliche Ressentiments, wo seit über 70 Jahren eine vorbildhafte europäische Region entstanden ist. Oder wie ist es zu verstehen, wenn Schauser das im 19. Jahrhundert zusammengeschmolzene dänische Königreich mit Blick auf die Landkarte «like a nightcap on the German Empire» erscheint? Ein Booklet ist zwar nicht die Berlingske Tidende, aber auch dort wäre wohl eine solche Sichtweise unangemessen.


Per Nørgård: Sonata No. 1 (1951–53), Sonata No. 2 «In due tempi» (1953/54, 1980), Sonata No. 3 «What – is the Word!» (1999); Paul Ruders: Bravourstudien (L’homme armé Variations) (1976)

Wilhelmina Smith (Violoncello)

Ondine ODE 1381-2 (2019)

 

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #040 – Cellomania