6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Shoko Kuroe: Snow

Shoko Kuroe: Snow
Shoko Kuroe: Snow

Sommer, Sonne, Sonnenschein. Eine gute Zeit für Gedanken an Schnee. Angeblich gibt es Kulturen, die sehr viele Worte für Schnee haben. Diese CD der Pianistin Shoko Kuroe zeigt, dass wir auch viele Töne für Schnee haben – allein schon auf dem Klavier. Und niemand wird wohl ermessen können, wie viele Töne es für Schnee noch jenseits des Klaviers gibt und wie viele Schnee-Klänge, die nicht titel- oder assoziationsgebend geworden sind. Einen kleinen Ausschnitt bringt diese Zusammenstellung der Pianistin und doch einen Fächer aus Zeit, Klang und Empfindung.

Kalt wird einem bei den Klängen, die hier so zauberhaft Shoko Kuroe aus dem Klavier flocken lässt, nicht. So gar nicht. Im Gegenteil – wie hier neben Debussys „Footsteps In The Snow“ dann Henry Cowells „The Snows Of Fuji-Yama“ gesetzt wird, ist breathtaking, atemberaubend schön. Nicht alle Stücke halten das kompositorische Niveau, manches Werk schmilzt auf den Tasten dahin und hinterlässt nur eine kleine ästhetische Pfütze. Aber so ist das mit der Musik wie mit dem Schnee.

Shoko Kuroe: Snow
Shoko Kuroe: Snow

Wer aber will denn mit einem Schneeball bleiben im Warteraum für musikalische Ewigkeiten. Muss man nicht. Wie unendlich ist da beispielsweise „Winterzeit I“ von Robert Schumann? Shoko Kuroe ist da Meisterin besonders, wenn es um Einfachheit von Form und Struktur geht. Die Miniaturen verzeihen einem schließlich nichts, da muss es auch mal in weniger als 30 Sekunden gelingen, Schneeflocken zu sichten wie in Reginald Kings „Impression“. MacDowells Pathos gelingt ihr da ebenso wie das flottgestrickte „Over the Snow“ von Henry Mayer. Bin Kanedas „Snowy Night“ kommt reizend. Höhepunkt dürfte musikalisch und ästhetisch allerdings das auch längste Stück der CD sein. Die „White Scenery“ Petris Vasks verwandelt Kuroe in ein mythisch-magisches Bild.

Am Ende dieser Zusammenstellung ist man einfach etwas glücklicher als vorher und hat seine Sinne erweitert und doch zugleich gespitzt. Großartig!


Shoko Kuroe: Snow

Shoko Kuroe, Piano

  • Selim Palmgren: Snowflakes Op. 57 No. 2
  • William Gillock: Sleighbells In The Snow
  • Sofia Gubaidulina: Sleigh With Little Bells
  • Ilmari Hannikainen: The First Snow Op. 11B No. 5
  • Bohuslav Martinu: Sledge H. 167 No. 1
  • Claude Debussy: The Snow Is Dancing
  • Claude Debussy: Footsteps In The Snow
  • Henry Cowell: The Snows Of Fuji-Yama
  • Walter Niemann: Winter Storms Op. 12 No. 5
  • Robert Schumann: Winter Time I Op. 68 No. 38
  • Edward MacDowell: Midwinter Op. 62 No. 3
  • Franz Liszt: Etude Op. 1 No. 12
  • Cornelius Gurlitt: The Snowman Op. 74 No. 15
  • Bela Bartok: Winter Solstice Song Sz. 42 No. 38
  • Dimitri Kabalewsky: Snowstorm Op. 27 No. 23
  • Serge Bortkiewicz: The Sleigh Drive Op. 21 No. 2
  • Reginald King: Snowflakes Op. 3 No. 1
  • Akira Yuyama: A Music Box On A Snowy Day
  • Reiko Arima: Snowball
  • Henry Mayer: Over The Snow Op. 37
  • Peter Iljitsch Tschaikowsky: Troika Op. 37B No. 11
  • Bin Kaneda: Snowy Night
  • Peteris Vasks: White Scenery
  • Peter Sculthorpe: Snow, Moon And Flowers

Conditura Records

 

 

Autor

  • Martin Hufner. Foto: Kurt Hufner

    Martin Hufner ist Musikjournalist, Musikwissenschaftler, Blogger. Er betreut nebenbei die Online-Redaktion der neuen musikzeitung.

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hoerbar_nmz

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