14. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Erling Blöndal Bengtsson

Erling Blöndal Bengtsson
Erling Blöndal Bengtsson

Dieses Doppel-Album setzt einen Schlusspunkt unter eine beeindruckende Reihe mit bisher unveröffentlichten Aufnahmen des dänischen Jahrhundert-Cellisten Erling Blöndal Bengtsson (1932–2013). Es zeigt zugleich, wie viele und welch großartige Schätze noch in den Rundfunkarchiven der Wiederentdeckung harren, bevor die meist staubig gelagerten analogen Bänder sich gänzlich entladen. Dass hier ein kulturelles Erbe, ein beachtlich großer Teil der Musik- und Interpretationsgeschichte des 20. Jahrhunderts auf Sicherung und Sichtung wartet, ist leicht vorstellbar, nicht aber, auf welch’ unterschiedliche Weise damit umgegangen wird.

Hier lohnt die Lektüre des Nachworts von Jesper Buhl – möglicherweise ein Text, der in vielen Jahren (oder auch Jahrzehnten) in seiner Offenheit zu einer wichtigen Quelle wird. Dann wird es nicht um die Frage der ökonomischen Verwertung gehen, sondern um die der Aufbewahrung, der Zugänglichkeit und des Remasterings. Am Ende gar um noch mehr: um die Bewahrung eines hochrangigen künstlerischen Nachlasses wie auch die eines weithin unbekannten zeitgenössischen Repertoires, das zum Hören und Nachsinnen einlädt.

Was für ein Fundus noch erkundet werden kann, zeigen die hier nun zugänglich gemachten, von Claus Byrith digital überarbeiteten Aufnahmen aus den Kellergewölben des Dänischen Rundfunks. Hier sind es gleich sechs Konzerte für Violoncello und Orchester (drei aus dem goldenen romantischen Zeitalter, drei aus den Jahren 1959, 1961 und 1984), denen man wohl kaum sonst begegnet wäre. Vor allem die drei letzteren gehen eigenständige Wege zwischen Tradition und Moderne – und zeigen, welche große, unbeachtet gebliebene Vielfalt es neben der ideologisch geprägten «Avantgarde» gab. Unvergleichlich ist dazu das Spiel von Erling Blöndal Bengtsson: intonatorisch ohne Makel, technisch kontrolliert und brillant zugleich, in immer wieder changierenden Farben, bei spürbarer Konzentration und maximaler gedanklicher Freiheit in der Gestaltung. So klingen die neuen Partituren wie selbstverständlich abgerundet, das romantische Repertoire aber ohne den oft alles zudeckenden Zuckerguss. Eine Edition, die hoffentlich auch außerhalb der Cellisten-Community viele Liebhaber findet.


A Tribute to Erling Blöndal Bengtsson Vol. 3. – The Danish Radio Recordings 1962–1987

  • Bent Lorentzen: Cello Concerto (1984);
  • Leif Thybo: Cello Concerto (1959);
  • Svend Westergaard: Cello Concerto op. 26 (1961);
  • Peter Heise: 2 Fantasy Pieces (1860);
  • Franz Xaver Neruda: Cellokonzert Nr. 2 d-Moll op. 59 (1887);
  • Emil Hartmann: Cello Concerto d-Moll op. 26 (1879);
  • Johan Svendsen: Cello Concerto op. 7 (1870/71);
  • Peter Tschaikowsky: Rokoko-Variationen op. 35 (1877)

Erling Blöndal Bengtsson (Violoncello), Nina Kavtaradze (Klavier), Danish Radio Symphony Orchestra, Aalborg Symphony Orchestra, Odense Symphony Orchestra, Aarhus Symphony Orchestra, Oliver Knussen, Thomas Jensen, Ole Schmidt, Alf Sjøen, Borge Wagner, Pierre Monteux

Danacord DACOCD 846 (1962–1987)

 

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #040 – Cellomania