28. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Mimanée – The Invisible Will Remain

Mimanée – The Invisible Will Remain

Da müsste man sich schon ordentlich bemühen, wollte man bei dieser Besetzung die Musik gegen die Wand fahren. Es gibt fast nichts besser Selbstlaufenderes als Marimba, Bass-Klarinette (plus Saxophone) und Gesang. Das schnurrt und schwirrt auch bei diesem Trio mit einer Leichtigkeit und zugleich in der Tiefe abgründelnden fundamentalen Musik, verwurzelt in subtil gestalteten Kompositionen und Arrangements. Aber selbstlaufend erscheint es nur, weil es tatsächlich so gut musikalisch gearbeitet ist. Die musikalische Korrespondenz zwischen der Bassklarinette von Matthias Stich und dem Gesang von Neele Pfleiderer ist fast durchwegs untrennbar miteinander

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Questo Tempo

Questo Tempo

Eine weitere Produktion vom Label «Da Vinci Jazz», aber mit ganz anderer Klanglichkeit als «Pagine Vere». Die Besetzung deutlich perkussiver (aber mit Melodieinstrumenten wie dem Vibraphon …). Perkussiv muss ja nicht knattern heißen oder grooven oder schlumpfen. Eigentlich gelangt man hörend eher zu der Einsicht, dass die Rhythmus-Abteilung umgekehrt proportional zugleich fehlt – wie das, ich versuche es weiter unten zu erklären. Auch die Toms sind präzise gestimmt auf das musikalische Gesamtbild hin. Und doch: Es pulst die Musik, aber durchaus frei und fesselnd zugleich. Darüber singt Beatrice Arrigoni ebenso

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Teresa Bergman – 33, Single & Broke

Teresa Bergman – 33, Single & Broke

Grenzbereiche in vielerlei Hinsicht betritt das dritte Album der in Berlin lebenden Neuseeländerin Teresa Bergman. Gelabelt wird es mitunter im Genre des Folkpop. Thematisch gehen die Lyrics um das, was der Titel der Platte anzeigt. Das Menschsein mit Mitte, Anfang 30. Vielleicht auch das Frausein. Vielleicht auch das Sein schlechthin. Es widerspiegelt zudem die letzten Jahre angesichts gesellschaftlicher und klimatischer Umbrüche. Eine persönliche und eine aufs unversalistische Chaos zielende Platte. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist die der musikalischen Gestaltung. Und die macht mit dem ersten Sologesangston

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Ceccarelli – Pagine Vere

Ceccarelli – Pagine Vere

Das Leichte ist ja keineswegs immer leichtgewichtig, sondern eine komplexe musikalische Angelegenheit. Eine musikalische Idee am Fließen zu halten, im Fluss zu halten, ja, sie zu halten sie loslassen zu können, verdammt aufwendig – und dann merkt man das gerade dadurch, dass man es nicht merkt. Das – kann man so konstatieren – gelingt auf mit dieser CD ganz vorzüglich wie das Schlürfen in Lammfellschuhen über poliertes Fischgrätparkett. Da steht kein Span heraus an dem man sich verletzen könnte. Alles blitzeblank, auch die Fenster geputzt, der Ausblick in einen gepflegten

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Olga Reznichenko Trio – Somnambule

Olga Reznichenko Trio – Somnambule

Großartiges Trio! Nicht immer mit der gleichen Intensität. Von mir aus reicht allein der Track «Slipping Pace Returning Time» für die unbedingte Empfehlung dieser Aufnahme. Ein musikalisches Farbenspektakel in Harmonik und in Aufbau mit parallel laufenden Basslinien im Piano von Olga Reznichenko und dem Bass Lorenz Heigenhubers, umschmeichelnd begleitet von Maximilian Stadtfeld am Schlagzeug. Das ist subtilst angelegt – auf die die Harmonik des Impressionismus eines Claude Debussy verweisend – wie überhaupt mancher andere Track seine harmonischen Tiefenschichten aus der Zeit der Wende zum 20. Jahrhundert. Da sitzt alles musikalisch

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Hans Arnold – Interim

Hans Arnold – Interim

Was ist das? Das Setup besteht aus Wurlitzer Piano und stehender Bass Drum. Daraus und drumherum wird gefrickelt, geloopt und gewerkelt. Hobbykeller, Experimentalküche der Repetitions-Avantgarde? — Oder einfach nur ein Denkmal der Tonkunst? Dass das nämlich nicht zu einer geschmäcklerischen Sülze gefriert, dafür sorgt Hans Arnold immer wieder mit kleinen Steinchen, die er in die Kompositionen streut und die gottlob eher nur ein Ausrutschen beim Mithören erzeugen («Future in Present»). An sich auch erstaunlich, welche verschiedenen musikalischen Poetiken sich mit dem genannten Instrumentarium erzeugen lassen. Auch im Bereich der Geräusche

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Evelyn Kryger: Live at JazzBaltica 2021

Evelyn Kryger – Live at JazzBaltica 2021

Da kann man mal sehen, wie bekloppt man geworden ist: Statt „Billy Wolke“ lese ich in der Playlist „Billy Woke“. Was ist nur los mit mir und mit dieser Welt. Und wer, zum Teufel ist diese Evelyn Kryger, die dann doch gar unter den Mitmusiker:innen auftaucht. Doch, wer ein Stück launig «Balcancan» nennt, muss nun mal auf der Hut sein. Vor allem auch auf der Hut davor, sich in diesem Folk-Gewuhle so zu platzieren, dass es wie ein musikalisches Import-Export-Geschäft nach außen wirkt. Nix easypeasy. Das tut es aber ein

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H. C. Behrendtsen – H. C. Behrendtsen [2022]

H. C. Behrendtsen

Surfen mit Krawallhemd. Diese Musik labelt unter „Math Rock Experimental Band“. Also: Jazz!  Was ist denn jetzt nicht Jazz, und warum sollte es anders sein. Wenn alles Jazz ist, wäre Jazz die am häufigsten gehörte und gespielte Musik. Hauptsache ist doch, man ist mitten drin und auch dabei. Fast gezwungenermaßen, es sei denn man findet schnell den Ausschaltknopf. Gut, lass‘ eben an. Lass‘ eben leben. Oder lass‘ es eben. Wir befinden uns in der Leipziger Klangtiefebene, die Furchen schlägt in das Gestrüpp aus Barbecue-Muzak-Saucen-Bullshit. Strampeln wie im Moder. Moderer wird’s

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Sebastian Gahler – Two Moons [2022]

Sebastian Gahler – Two Moons

«Dass der japanische Weltschriftsteller Haruki Murakami Jazz liebt, ist bekannt. Sebastian Gahlers neues Album beweist, dass auch das Gegenteil gilt: Jazz liebt Murakami.» So liest man es im Waschzettel zur Platte. Da kann man wenig gegen sagen. Aber auch nur wenig dafür. Ob es hier der Fall, da sind bescheidene Zweifel doch gestattet. Wüsste man nichts vom Zusammenhang, liefe diese elfteilige CD wie eine gute, aber auch irgendwie ohne große Aufregung erzeugende Platte durch. Dafür gibt es sicher aber auch keine bessere Erklärung als diejenige, dass der Rezensent letzten Endes

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Muthspiel – Diary 1989-2022

Muthspiel – Diary 1989-2022

Beim Tagebuch handelt es sich hier um «Selected Recordings» des Geburtstagskinds Christian Muthspiel auf zwei CDs mit Aufnahmen aus den letzten 33 Jahren, die der Posaunist, Pianist, Komponist und Bandleader hier zusammenstellen durfte. Was für eine dufte Sache das doch gworden ist. Ich kann und will dazu gar nicht viel Worte verlieren. Es ist ein so irres Panoptikum von Stilen, Techniken und Mixen, das von Musik der europäischen Tradition (Dowland), über traditionelle Musik (Jodler) bis hin zu den Weltmusiken Jazz, Blues und Soul reicht und auch Exponate seiner aktuellen Doppel-CD

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Sebastian Sternal – Thelonia

Sebastian Sternal – Thelonia

Bei manchen dauert es etwas länger: Pianisten und Pianistinnen machen fast immer irgendwann eine Aufnahme, die sie ganz allein am Piano zeigen. Enorm ist daher die Dichte der Aufnahmen und Konzerte, die fast wie Sand am Meer sich nicht mehr zählen lassen. Sebastian Sternal hat die Ungunst der Stunde, beziehungsweise der Corona- Einschränkungen in 2020 genutzt, sich auch dieser Aufgabe zu stellen. «Der ersten Aufregung über Corona im März folgte die Phase, in der alle ruhig zuhause blieben. So ging es mir natürlich auch. Ohne Konzerte und Außentermine änderte sich

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Muthspiel & Orjazztra Vienna ­Homecoming

Muthspiel & Orjazztra Vienna – ­Homecoming

Christian Muthspiel feiert(e) in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag. Das zelebriert sein Label gebührend mit zwei Doppel-CDs. Die eine davon (Diary 1989–2022, Selected Recordings) versammelt älteres Material, das zu einem Puzzle sich eines Künster:innenlebens zusammenfügt. Die andere CD «Homecoming» besteht aus insgesamt 12 Tracks, die im März 2021 aufgenommen worden sind. Laut Waschzettel habe sich Muthspiel damit «den Traum eines eigenen Jazzorchesters, den er seit seinem Weggang vom Vienna Art Orchestra im Jahr 2004 hatte» erfüllt. Die an gleicher Stelle angeführte Behauptung, dass Großbesetzungen im Jazz rar geworden seien, kann

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