26. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Winterreise / Trio Bogányi

Winterreise / Trio Bogányi
Winterreise / Trio Bogányi
Der engste Freundeskreis war irritiert, Schubert aber gefielen «diese Lieder mehr als alle, und sie werden euch auch noch gefallen.» So jedenfalls hat Joseph von Spaun die ersten Reaktionen auf die Winterreise in seinen recht spät notierten Aufzeichnungen über meinen Verkehr mit Franz Schubert (1858) festgehalten. Bis heute hat der Liederzyklus nichts von seiner Faszination eingebüßt – im Gegenteil: Die darin beschriebene existenzielle Einsamkeit in der Kälte der Welt scheint aktueller denn je, ist aber heute einfacher und ohne Gesichtsverlust nach außen tragbar. Waren für Schubert noch Wilhelm Müllers Worte Ausgangspunkt für eine weit mehr als nur kongeniale, sondern eine in seelische Abgründe führende Vertonung, so ist es nach bald zweihundert Jahren heute die Musik, die zu zahlreichen mehr oder weniger anregenden Bearbeitungen anregt. Müllers Verse werden dabei meist als bekannt vorausgesetzt – anders lassen sich rein instrumentale Interpretationen und Kommentare nicht verstehen.

Nicht einmal als Arrangement mag ich allerdings die hier von den Geschwistern Bogányi eingespielte Version bezeichnen. Fagott und Oboe vertreten die Singstimme und wechseln sich mit ihren ausgesungenen Linien von Lied zu Lied ab, fallen nur gelegentlich gemeinsam ein. Entstanden ist die Produktion Anfang 2021 als Ergebnis eines corona-bedingten familiären Miteinanders – nicht mehr, aber auch nicht weniger. So handelt es sich in der Tat für die Geschwister um «eine ganz besonders wertvolle CD», doch wird sie auch darüber hinaus Bestand haben? Ein musikalischer «Mehrwert» erschließt sich nicht unmittelbar, viel eher eröffnet sich ein ganzer Reigen von (Nach-)Fragen. Dass es am Ende nur um eine Präsentation des aus modernen Werkstoffen gefertigten, im Design futuristisch anmutenden Bogányi-Flügels ging (er wird im Booklet nur am Rede erwähnt, jedoch mit einer Abbildung präsentiert), ist ebenso auszuschließen. Er wirkt im Studio zwar warm, zugleich aber mulmig im Ton. Ein Album, das mich ein wenig ratlos macht.

Franz Schubert. Winterreise op. 89 D 911
Clara Dent-Bogányi (Oboe), Bence Bogányi (Fagott), Gergely Bogányi (Klavier)

Hänssler Classics HC 21023 (2021)

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