3. Mai 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Helena Munktell

Helena Munktell

Sie pendelte je nach Saison und Jahreszeit zwischen Schweden und Paris und wusste den ihr in der Seine-Metropole als Komponistin entgegengebrachten Respekt sehr zu schätzen. So bemerkte Helena Munktell (1852–1919) geradezu programmatisch: «Es wäre dumm, zu Hause zu bleiben, wo kein Platz für einen ist! Besser im Ausland bereitwillig empfangen zu werden, als zu Hause gnädigerweise geduldet zu sein.» Nach einer grundlegenden Unterweisung in Stockholm (Klavier, Gesang und Komposition) wandte sie sich 1870 zunächst nach Wien, einige Jahre später aber nach Paris, studierte dort bei Benjamin Godard und Vincent d’Indy.

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It's a girl!

It’s a Girl!

Schon wieder ein Album mit einem Motto, das auf ein «!» endet. Und doch stellt sich auch hier die Frage, was genau denn nun mit dem affirmativen Ausrufezeichen gemeint ist. Kaum dürften es die Worte eines Arztes vor oder einer Hebamme nach der Geburt eines Menschenkindes sein. Doch wann sonst wird man in seinem Leben diesen Satz antreffen? Aber steht dann schon fest, dass aus dem Baby eine Komponistin wird? Mir sind das zu viele Ungereimtheiten. Im Booklet jedenfalls findet sich keine aufklärende Bemerkung, so dass der Ruf rasch verhallt.

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Signe Lund

Signe Lund

Es passiert nicht oft, dass eine Komponistin so konsequent aus der nationalen Musikgeschichte «hinausgeschrieben» wurde, wie dies bei Signe Lund (1868–1950) der Fall war. Früh schon erhielt die in besonderer Weise musikalisch Begabte von Edvard Grieg den Rat, nicht zu heiraten, im Wissen um die damit verbundenen Verpflichtungen, die sie dann tatsächlich für viele Jahre vom Konzertieren und Komponieren abhielten. Schließlich ließ sie ihre Familie in Norwegen zurück und wandte sich mit finanzieller Hilfe des Schwiegervaters (!) nach Berlin, Kopenhagen und Paris. Durch ihren zweiten Ehemann, einen französischen Architekten, gelangte

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Celebrating Women!

Celebrating Women!

Feiern ist immer gut. Früher stand das Wort für eine gediegene Veranstaltung geselliger Art. In der modernen Jugendsprache hat es hingegen eine durchaus andere Bedeutung erhalten, bei der nur ein Aspekt zur Hauptsache erklärt wurde. Wenn auf diesem Album nun explizit «Frauen» gehuldigt wird, so sind damit natürlich die hier berücksichtigten Komponistinnen gemeint. Kommt man aber in Feierlaune, weil es sich bei allen vier Werken um Ersteinspielungen handelt? Man muss sich jedenfalls nicht über die bisher ausgebliebene Rezeption der Partituren erhitzen: Wer genau hinschaut, wird sehen, dass es sich durchgehend

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Laura Netzel

Laura Netzel

Für den Titel dieser Folge der «Hörbar» steht eine Produktion des Labels Gramola Pate. Alternativ wäre auch ein bei Cobra Records erschienenes Album in Frage gekommen: Celebrating Women! – Andere Labels verzichten auf derartige reißerische Titel, sondern stellen ganz bewusst die jeweilige Komponistin mit ihren Werken ins Zentrum. Mir ist das weitaus sympathischer. Denn unter Berücksichtigung aller Kontexte zählt am Ende die Qualität der Werke, ebenso wie das Niveau der Interpretation. Skandinavische Labels haben das längst erkannt und setzen einfach den Namen der Komponistin ganz selbstverständlich und ohne Zusatz auf

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Thomas Larcher

Thomas Larcher

Eine Introduktion, zwei gewichtige instrumentale Sätze, vier Lieder. Thomas Larcher (*1963) hat mit Alle Tage (2010/15) ein bedeutendes Werk mit mehr als 45 Minuten Aufführungsdauer geschaffen, das formal scheinbar zwischen den Gattungen steht. Dabei definiert er es im Untertitel als «Symphonie für Bariton und Orchester» – zu Recht, denn die Anlage der Partitur erinnert an Gustav Mahlers vokal angereicherte «Wunderhorn»-Sinfonien, greift sogar hie und da den von dort vertrauten Duktus auf. Einen Duktus, der die Worte und Verse mit der Musik zusammendenkt, sie aufeinander bezieht, kommentiert und verstärkt. Larcher greift

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Zygmunt Stojowski

Zygmunt Stojowski

«Schon wieder ein unbekannter Romantiker!», möchte man ausrufen. Und tatsächlich wird wohl kaum jemand etwas von Zygmunt Stojowski (1870–1946) gehört haben. Geschuldet ist dies einer Biographie, in der es in einem entscheidenden Moment «go west» hieß. Abgesehen von der nach wie vor offenen (und vermutlich auch eher unerheblichen) Frage nach dem Geburtsort – zu viele Quellen gingen im Feuersturm des Zweiten Weltkriegs verloren –, findet man Stojowski zunächst als Schüler bei Władysław Żeleński in Krakau, dann bei Louis Diémer (Klavier) und Léo Delibes (Komposition) am Conservatoire in Paris. Mit seiner

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Charles Koechlin

Charles Koechlin

Obwohl zahlreiche seiner Werke inzwischen auf CD verfügbar sind, gehört Charles Koechlin (1867–1950) noch immer zu den am wenigsten aufgeführten großen Komponisten der späten, zur musikalischen Moderne neigenden Romantik. Ohnehin verweigert sich sein individueller Stil jeder Form einer Schubladisierung – was wiederum eine breitere Rezeption erschwert. Tatsächlich weist nahezu jede seiner Partituren Überraschungen auf und bezaubert auf ganz eigene Weise immer wieder neu. In diesem Fall ist es die Seven Stars’ Symphony op. 132 (1933) – eine späte Komposition, wie auch alle anderen seiner insgesamt vier Sinfonien, von denen allerdings

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Paul Wranitzky

Paul Wranitzky

Noch vor mehr als drei Jahrzehnten kam die auf LP veröffentlichte Einspielung mit der so genannten «Revolutions-Sinfonie» einer kleinen Sensation gleich. Inzwischen scheint das Œuvre von Paul Wranitzky (1756–1808) nicht mehr ganz so exotisch zu sein – jedenfalls sind zuletzt verschiedentlich Produktionen vorgelegt worden, die das Kennenlernen bequemer ermöglichen, auch wenn nicht immer alles von gleichbeliebender interpretatorischer Qualität ist. So kann man etwa mit der Einspielung von Sinfonien durch das Czech Chamber Philharmonic Orchestra, die bei Naxos aktuell bei Volume 4 angelangt ist, nicht recht glücklich werden. Das wirkliche Potential

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Concerto for Violin and Orchestra No. 2

Concerto for Violin and Orchestra No. 2

Das blau-gelbe Cover dieses Albums erscheint farblich bedrückend aktuell und wie ein Statement. Und doch ist es eher ein Zufall, denn das Foto stammt von der Uraufführung des Violinkonzerts am 24. Juli 2021 während des legendären Tanglewood Festivals. Es ist ein Spätwerk im besten Sinne des Wortes, denn hier musste sich der Komponist kaum mehr etwas selbst beweisen. Er schaut gleichermaßen zurück wie nach vorn, ist unabhängig von allem und jedem. Noch dazu handelt es sich um ein konzertantes Werk – weit weg von der Leinwand und den bewegten Bildern.

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Concerto for Cello and Orchestra

Concerto for Cello and Orchestra

«Are we allowed to do this?» So lautet in der Erinnerung von Yo-Yo Ma die Frage von John Williams angesichts der thematischen Gestaltung im vierten und letzten Satz seines 1993/94 entstandenen Cellokonzerts. Ein selbst nach Jahrzehnten noch immer interessanter Diskurs zwischen Komponist und Interpret – den ich allerdings eher in die 60er oder 70er Jahre verortet hätte, als der musikalische «Fortschritt» noch gänzlich von der Avantgarde diktiert wurde. Diese Zeit war jedoch in den 90ern vorüber, als musikalische «Nebenwege» plötzlich wieder Gehör fanden und die Melodie, der Gesang wiedergefunden wurde.

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Spotlight on John Williams

Spotlight on John Williams

Dieses Album ist kein Leichtgewicht. Zwar wurden auch hier (wie bei vielen anderen älteren oder aktuellen Veröffentlichungen) zahlreiche Highlights aus den besten Kinoknüllern eingespielt, und doch hat man auf einige der ganzganz großen Nummern verzichtet. Mich hat das zunächst irritiert. Und doch stimmt der Titel in ganz anderer Weise: Ein «Spotlight» richtet sich nicht auf jene allgegenwärtigen Scores, sondern eben auf die Fülle der Stile, durch die John Williams spricht, manchmal gar wie ein komponierendes Chamäleon. An diesem Doppelalbum wird aber auch rasch klar, welchen Instrumenten und natürlich auch Komponisten(!)

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