25. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Concerto for Violin and Orchestra No. 2

Concerto for Violin and Orchestra No. 2
Concerto for Violin and Orchestra No. 2
Das blau-gelbe Cover dieses Albums erscheint farblich bedrückend aktuell und wie ein Statement. Und doch ist es eher ein Zufall, denn das Foto stammt von der Uraufführung des Violinkonzerts am 24. Juli 2021 während des legendären Tanglewood Festivals. Es ist ein Spätwerk im besten Sinne des Wortes, denn hier musste sich der Komponist kaum mehr etwas selbst beweisen. Er schaut gleichermaßen zurück wie nach vorn, ist unabhängig von allem und jedem. Noch dazu handelt es sich um ein konzertantes Werk – weit weg von der Leinwand und den bewegten Bildern. Wer nun aber einen virtuosen «Reißer» erwartet hat, wird enttäuscht. Zu unterschiedlich sind die vier Sätze der Komposition, die Robert Kirzinger im Booklet mit dem ersten Klavierkonzert von Brahms (!) in Verbindung bringt, wo doch ein Hinweis auf die ursprüngliche Konzeption gerade des Violinkonzerts op. 77 weitaus treffender gewesen wäre. Ohnehin gehören Werkeinführungen nicht zu den Stärken von John Williams. Und irgendwie muss er den Kontakt zumindest zur westeuropäischen Spielart dieser Textsorte verloren haben, die schon lange nicht mehr nach dem hermeneutischen «What is this music about», sondern idealerweise nach historischen Kontexten fragt.

Zumindest der Widmung nach ist das Werk in einer Reihe mit entsprechenden Kompositionen von Lutoslawski, Rihm, Penderecki, Dutilleux und Currier zu sehen. Stilistisch bleibt es freilich indifferent – und dies so sehr, dass man bei einer Blindverkostung wohl kaum auf Williams als Urheber kommen würde. Manches am Solopart erinnert an Berg, manche orchestrale Passage des ersten Satzes an Benjamin Britten. Der Aufbau scheint zudem rhapsodisch angelegt; darauf weist schon die Bezeichnung der Ecksätze mit Prologue und Epilogue hin, die von der Spieldauer her allerdings schon mehr als die Hälfe einnehmen. Überdies überwiegen kadenzartige Strukturen – gut für die Solistin, die sich virtuos präsentieren kann, weniger gutfür die Disposition der Partitur, die sich mir dramaturgisch (noch?) nicht erschließt. Drei konzertante Paraphrasen über bekannte Movie-Main-Themes versetzen einen irgendwie ins 19. Jahrhundert, inspiriert von einem gemeinsamen Auftritt im Wiener Musikverein im Januar 2020.

John Williams. Concerto for Violin and Orchestra No. 2 (2021); Theme from The Long Goodbye (für Violine & Orchester); Han Solo and the Princess from Star Wars (für Violine & Orchester); Marion’s Theme from Indiana Jones (für Violine & Orchester)
Anne-Sophie Mutter (Violine), Boston Symphony Orchestra, John Williams

DG 486 1698 (2021)

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