29. März 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Concerto for Cello and Orchestra

Concerto for Cello and Orchestra
Concerto for Cello and Orchestra

«Are we allowed to do this?» So lautet in der Erinnerung von Yo-Yo Ma die Frage von John Williams angesichts der thematischen Gestaltung im vierten und letzten Satz seines 1993/94 entstandenen Cellokonzerts. Ein selbst nach Jahrzehnten noch immer interessanter Diskurs zwischen Komponist und Interpret – den ich allerdings eher in die 60er oder 70er Jahre verortet hätte, als der musikalische «Fortschritt» noch gänzlich von der Avantgarde diktiert wurde. Diese Zeit war jedoch in den 90ern vorüber, als musikalische «Nebenwege» plötzlich wieder Gehör fanden und die Melodie, der Gesang wiedergefunden wurde. Was aber wirklich verblüffend ist: Die 1994 in Tanglewood uraufgeführte Komposition wurde bereits 2001 in derselben Konstellation Yo-Yo Ma / Williams aufgenommen – nur eben damals in einer ersten Fassung und mit dem Los Angeles Recording Arts Orchestra. Ein Vergleich ist aufschlussreich: Denn der von Yo-Yo Ma damals angeschlagene Ton war weniger süffig, klarer konturiert, die Aufnahme insgesamt durchhörbarer.

Kombiniert ist die Einspielung mit konzertant bearbeiteten Stücken aus den Filmmusiken zu Schindlers Liste (1993), Lincoln (2012) und München (2005), die alle auf diese Weise ihre Qualitäten als Genrestücke unter Beweis stellen, ihre kantablen Linien weit aussingen, und bei denen vermutlich noch nie jemand gefragt haben wird, ob dies so «erlaubt» wäre. Hier wird eben doch eine gravierende ästhetische Dichotomie zwischen Leinwand und Konzertsaal wirksam, auch weil ein gänzlich anderes Publikum angesprochen ist, je nachdem ob gerade Augen oder Ohren geschärft sind. Als willkommene Ergänzung fungiert die ebenfalls für Yo-Yo Ma bzw. Solo-Cello und Orchester zum 100. Geburtstag von Leonard Bernstein geschriebene Komposition Highwood’s Ghost (2018), deren Titel auf eine alte Tanglewood-Anekdote zurückgeht – und zeigt, wie verschiedenartig Williams’ Musik selbst bei identischer Besetzung ist. Wie aber lässt sich bei so unterschiedlichen Werken eine musikalische Identität greifen?

Yo-Yo Ma & John Williams. A Gathering of Friends.
John Williams. Concerto for Cello and Orchestra (1993/94, rev. 2021); Three Pieces from Schindler’s Liste (für Violoncello & Orchester); Highwood’s Ghost (2018); With Malice towards None from Lincoln (für Violoncello & Orchester); A Prayer for Peace from Munich (Fassung für Violoncello & Gitarre)
Yo-Yo Ma (Violoncello), Jessica Zhou (Harfe), Pablo Sainz-Villegas (Gitarre), New York Philharmonic Orchestra, John Williams

Sony 19439983662 (2021)

 

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