19. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Charles Villiers Stanford

Charles Villiers Stanford

Eigentlich sollte Charles Villiers Stanford (1852–1924) auf der Landkarte der musikalischen Spätromantik kein weißer Fleck mehr sein. Zwar ist der gebürtige Ire in die englische Musikgeschichte vor allem als Lehrer einer neuen Generation eingegangen; zu seinen Schülern zählen u.a. Gustav Holst, Ralph Vaughan Williams, Arthur Bliss, Frank Bridge, George Butterworth, Thomas Dunhill, Herbert Howells und John Ireland – ein Who’s Who der britischen Komponisten nach der Jahrhundertwende. Doch Stanford selbst? Wer nicht neugierig war und den CD-Markt der letzten drei Dekaden aufmerksam verfolgt hat, an dem dürfte seine sehr interessante,

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Kuhlau / Malling

Kuhlau / Malling

Obwohl bereits einzelne Werke im ausgehenden 18. Jahrhundert entstanden (es sei nicht nur an die beiden singulären Werke von Wolfgang Amadeus Mozart erinnert, sondern auch an solche aus Mannheim oder beim frühen Beethoven), erlebte das Klavierquartett erst im weiteren 19. Jahrhundert seinen Durchbruch als Besetzung – wenn nicht gar satztechnisch als Gattung. Die Kombination von Klavier und Streichtrio geht mit der Viola klanglich zwar weit über die klare Konstellation eines Klaviertrios hinaus und erreicht (auf der anderen Seite) doch noch lange nicht den aus der Kammermusik heraustretenden sinfonischen Sound eines

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Josef Schelb

Josef Schelb

Die Musik des Komponisten Josef Schelb (1894–1977) dürfte bisher den wenigsten überhaupt einmal begegnet sein. Kaum etwas aus seinem umfangreichen Œuvre liegt eingespielt vor – dabei ist sein Schaffen mit Opern, Balletten, nicht weniger als 11 Sinfonien, weiteren Kompositionen für Orchester, Kammer- und Klaviermusik sehr breit aufgestellt. Noch dazu hat Schelb eine sehr eigene musikalische Sprache entwickelt, die sich fast jeder Schubladisierung entzieht – was ihn wirklich interessant macht: Sie verfügt über eine gewisse französische Farbigkeit wie auch über eine polyphone Führung der Stimmen. Harmonisch frei, bleibt Schelb gleichwohl der

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Michael G. Fischer

Michael G. Fischer

Natürlich ist das klassische Klavierquartett nicht ohne Mozart zu denken – sowohl in g-Moll (KV 478) wie auch in Es-Dur (KV 493). Diese Werke aus den Jahren 1785/86 waren zwar zunächst nicht sonderlich erfolgreich, doch haben sie kräftige Spuren in der Musikgeschichte hinterlassen. Von diesen Spuren profitiert auch das Opus 6 von Michael Gotthard Fischer (1773–1829). Er war ein Komponist, der kein großes schöpferisches Erbe hinterlassen hat, aber (ausgebildet von Johann Christian Kittel) in Erfurt das Musikleben seiner Zeit maßgeblich mitbestimmte. Dass sich Fischer ab 1810 kompositorisch offenbar auf die

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Weinberg / Gidon Kremer

Weinberg / Gidon Kremer

Schostakowitsch hielt Weinbergs Violinkonzert für ein «überragendes Werk im wahrsten Sinne des Wortes.» In der Tat handelt es sich nicht nur nach Umfang und Aufbau, sondern auch wegen der komponierten Ausdruckscharaktere um eine Partitur, die zeitloses Gewicht hat. Während der Sommerfrische 1959 ist sie auf einer Datscha in Nikolina Gora für den russischen Geiger Leonid Kogan entstanden, der das Werk 1961 unter Gennadi Roschdestwenski zur Uraufführung brachte – mit virtuoser Geste und einer unglaublichen Motorik im ersten Satz (wie man noch heute hören kann). 60 Jahre später mag man angesichts

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Weinberg / Elisaveta Blumina

Weinberg / Elisaveta Blumina

Weinbergs Klavierquintett op. 18 ist in den letzten Jahren gleich mehrfach eingespielt worden – nicht weil die ins Sinfonische gehende satte Besetzung plötzlich Konjunktur bekommen hätte, sondern weil es fraglos eines der persönlichsten Werke ist. 1944 entstanden, verleiht Weinberg hier nicht nur seiner Trauer Ausdruck: Während er im Alter von 20 Jahren mit Beginn des Krieges 1939 aus Polen über Minsk nach Taschkent fliehen konnte, wurden die Eltern und die Schwester erst im Ghetto interniert und schließlich im Konzentrationslager ermordet. Mehr noch steht diese Komposition für das Leiden in einer

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Weinberg / Gidon Kremer

Weinberg / Gidon Kremer

Das im editorisch bestens betreuten Booklet abgedruckte Statement von Gidon Kremer macht unmissverständlich klar, dass es sich bei diesem Album um eine sehr persönliche Angelegenheit des Interpreten handelt. Denn Kremer transkribierte die 1968 entstandenen, mit der symbolträchtigen Opuszahl «100» versehenen 24 Präludien für seine Violine. Ursprünglich für Violoncello geschrieben und Mstislaw Rostropowitsch gewidmet (der das Werk allerdings nie aufführte), handelt es sich um ein ausdrucksstarkes Kompendium, das sich nahtlos in die Reihe vergleichbarer Werke der Vergangenheit einreiht. Unbestreitbar berückt die Aufnahme aus dem Jahre 2017, und sie vermittelt auch ein

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Weinberg / Amadeus Chamber Orchestra

Weinberg / Amadeus Chamber Orchestra

Manchmal lohnt der Blick auf den schmalen Rücken eines Digipacks. Dort trifft man nämlich beim vorliegenden Album überraschenderweise auf den Begriff «Chamber Music» – eine Bezeichnung, die angesichts der eingespielten drei Werke in bemerkenswerter Weise missverständlich ist. So geht zwar die Kammersinfonie Nr. 1 auf das Streichquartett op. 3 zurück, fasst aber mit der veränderten Besetzungsgröße die Faktur vollkommen anders auf. Grundsätzlich Ähnliches gilt auch für die Kammersinfonie Nr. 3 (1991), eine der letzten vollendeten Kompositionen Weinbergs, die sich umgekehrt wiederum als Streichquartett denken ließe (und damit sicherlich noch mehr

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Arcadia Quartet

Weinberg / Arcadia Quartet

Mieczysław Weinberg (1919–1996) und seine herausragende Musik mussten in den beiden letzten Jahrzehnten erst (wieder)entdeckt werden. Dies gilt für alle Gattungen gleichermaßen – von der Oper über die Sinfonie bis hin zur Kammermusik, selbst für das Streichquartett. Auch wenn inzwischen zahlreiche Einspielungen vorliegen, so finden sich seine Kompositionen kaum regelmäßig auf den Programmen etablierter Häuser, Orchester, Ensembles oder Solisten (nur wenige ausgenommen) – vermutlich wird Weinberg sogar noch immer als «Geheimtipp» gehandelt. Ein wenig zeugt davon auch das sympathische Statement des Arcadia Quartets im Booklet dieses Albums, aus dem sowohl

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Beethoven 6–9 / Savall

Beethoven 6–9 / Savall

Immer noch – oder schon wieder? Angesichts einer weiteren Einspielung der Sinfonien von Ludwig van Beethoven darf man sich diese Frage schon stellen. Was gibt nicht alles der Plattenschrank an Aufnahmen her, was lässt sich nicht darüber hinaus an unzähligen Produktionen im Streaming finden (mit dem auf Werkdaten basierenden Katalog bei idagio.com noch immer am leichtesten anzusteuern und aufzurufen). Und Jordi Savall gehört sicherlich nicht zu den Dirigenten, die einem bei diesen Dauerbrennern des Repertoires sofort einfallen. Hat hier die nun schon über 80 Lenze zählende Ikone der historischen Aufführungspraxis

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Bruckner 7 / Roth

Bruckner 7 / Roth

Wer das Gürzenich-Orchester mit seinem Chefdirigenten François-Xavier Roth schon einmal live in der Kölner Philharmonie gehört hat, wird vermutlich davon berichten, wie auf dem Podium bei nahezu jeder Partitur eine ganz eigene, ungezwungen Symbiose zwischen Dirigent und Klangkörper entsteht, die das einem antiken Amphitheater nachempfundene Halbrund des großartigen Saals bis aus den letzten Platz zum Schwingen bringt. Der wiedererkennbare kompakte, warme und doch so wunderbar durchhörbare Sound des Orchesters, seine Fähigkeit ihn auch in feinsten dynamischen Abstufungen zu entwickeln, ist eine der tragenden Säulen dieses sensationellen Livemitschnitts von Anton Bruckners

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Anders Eliasson

Anders Eliasson

Seit seinem Tod vor nunmehr zehn Jahren ist es um Anders Eliasson (1947–2013) und seine Musik still geworden. Offensichtlich hat ihn das fragwürdige Schicksal vieler zeitgenössischer Komponisten erreicht: Um «sichtbar» zu sein, muss in der Regel fortwährend die Werbetrommel gerührt und das Interesse mit immer neuen Werken wach gehalten werden. Posthum das Œuvre präsent zu bewahren, ist nahezu unmöglich – und so bedarf es immer einer besonderen Initiative, wieder etwas hervorzuholen und vielfach überhaupt publik zu halten. Auch bei diesem Album, das nach fünf (!) Jahren wieder Aufmerksamkeit für Werke

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