23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Respighi / Robert Treviño

Respighi / Robert Trevino
Respighi / Robert Trevino
Es gibt nur wenig Städte, die es zu ihnen ausdrücklich gewidmeter Musik gebracht haben. Ich meine natürlich nicht das Viva Colonia oder den Gruß an Kiel, sondern die ewige Stadt Rom und ihre tönende Urbanität in Ottorino Respighis legendärer Trilogie mit den bildhaft vertonten Brunnen, Festen und Pinien. Komponiert wurden die drei Werke allerdings nicht unmittelbar folgend, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg (1916, 1924 sowie 1928). Obwohl Respighi auch als Opernkomponist erfolgreich war, gelten diese drei Partituren, im Allgemeinen noch heute als seine Hauptwerke. Neueinspielungen davon sind hingegen eher selten geworden – umso hochkarätiger ist die vorliegende Aufnahme mit dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI unter Robert Treviño, womit allerdings nicht gesagt werden soll, dass damit die vor drei Jahrzehnten vollzogene Fusion aus vier traditionellen Klangkörpern des Rundfunks ihre Erfüllung gefunden hätte und die Verantwortlichen damit nachträglich rehabilitiert wären.

Die Produktion, mehr noch: die Interpretation, ist rundum gelungen. Das liegt zum einen an der sehr klaren und zwanglos durchhörbaren Aufnahme, bei der die klug aufgestellten Mikrophone einen sehr natürlichen Ausgleich zwischen solistischem Fokus und Räumlichkeit herstellen. Tatsächlich entfalten so die drei Partituren auf verblüffende Weise ihre breite Farbpalette, ihre beeindruckende dynamische Spannweite und ihre kraftvolle Harmonik. Zugleich zeigt Robert Treviño die ganze Strahlkraft des nationalen Rundfunk-Orchesters – im mächtigen Forte wie auch im zögerlich dunklen Piano. Er kann sich dabei durchwegs auf die individuellen Qualitäten der Musiker:innen verlassen (Holzbläser!), so dass die Ewige Stadt in diesen Tondichtungen nicht in einem schwer zu durchdringenden Nebel erfahrbar, sondern sehr präzise und im Posterformat dargestellt wird. Zudem lässt Treviño das Orchester atmen – und genau dies verleiht der mir bisher oftmals wie verklumpt erscheinenden Instrumentation nicht allein eine «Richtigkeit», sondern auch einen außergewöhnlichen, an Richard Strauss erinnernden Glanz. Respighi erweist sich unter Treviños Dirigat als kundiger Reiseleiter. Ein brillantes Album.

Ottorino Respighi. Roman Trilogy
Fontane di Roma, Feste romane, Pini di Roma
Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI, Robert Treviño

Ondine ODE 1425-2 (2022)

HörBar<< Bruckner 8 / Paavo Järvi

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #098 – Sinfonisches