Außerhalb Finnlands ist Einojuhani Rautavaara (1928–2016) nur wenigen ein wirklich geläufiger Name. Dabei handelt es sich um einen der bedeutendsten und ausdrucksstärksten Komponisten seiner nordischen Heimat aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die Voraussetzungen dafür waren nicht einfach, nachdem sich schon die vorhergehende Generation mühsam im Schatten Sibe-lius’ Gehör verschaffen musste. Rautavaaras Schaffen ist vor allem wegen der wechselnden technischen Grundlagen und stilistischen Ausformungen eine Herausforderung – vom Neoklassizismus zur Serialität, von einer gewissen Mystik zur Postmoderne. Ein langer Weg, aber mit immer wieder interessanten Stationen – bis in die letzten Jahre und Monate hinein, wie auf diesem Album gehört werden kann.
Rautavaara bleibt sich dabei treu bis in die beiden Serenaden hinein. (und man denkt dabei auch an andere Komponisten der Vergangenheit, die sich zu einem solchen signifikanten Doppel entschieden haben). Hier jedenfalls werden weite Linien gezeichnet und gesungen – intensiv, erhaben, ungebrochen, teilweise gar pathetisch, mit tiefer Hingabe und Liebe zur Musik (die Instrumentierung der Nr. 2 blieb unvollendet und musste ergänzt werden). Tatsächlich finden sich in den Serenaden Allusionen an viele eigene Werke, an Vogelgesänge, vor allem an den legendären Cantus Arcticus (1972), der auch in jedem Takt des knapp formulierten sinfonischen Satzes In the Beginning (2015) durchschimmert. Welch eine Neugier spricht daraus, die letzte vollendete Partitur genau so zu nennen (wenngleich das Ende überraschend abrupt erscheint). Auch bei der Fantasia (2015) mit ihrer ca. 13 Minuten umfassenden Spielzeit handelt es sich am Anfang des Albums um ein eher meditatives Konzertstück – man wünscht sich, all diese Kompositionen einmal auf einem Programmzettel zu finden. Titelgebend (Lost Landscapes) ist ausgerechnet die Instrumentation einer autobiographisch motivierten viersätzigen Folge, ursprünglich für Violine und Klavier geschrieben. – All diesen Werken kleineren Formats verleihen Simone Lamsma (Violine) und Robert Trevino mit dem Malmö Symphony Orchestra einen Glanz, der nicht oberflächlich poliert ist, sondern gleichsam von innen heraus leuchtet, auch wenn ich in der Gestaltung des Soloparts gelegentlich Farbbrechungen und Zwischentöne vermisse. Ausgespart wurde bei dieser Produktion entsprechend der Dramaturgie Rautavaaras einziges Konzert für Violine und Orchester (1977).
Einojuhani Rautavaara. Fantasia für Violine und Orchester (2015); «In the Beginning» für Orchester (2015); Deux Sérénades für Violine und Orchester (2016/18); Lost Landscapes (2005/15) (Arr. für Violine und Orchester)
Simone Lamsma (Violine), Malmö Symphony Orchestra, Robert Trevino
Ondine ODE 1405-2 (2021)