Ein Requiem von politischen Dimensionen. Auch wenn die Quellenlage zur Entstehung des Werkes nicht ganz eindeutig ist, spricht das Datum der Uraufführung in Paris Bände, denn am 21. Januar 1817 jährte sich zum 25. Mal die Hinrichtung König Ludwigs XVI. mit der Begründung «Verschwörung gegen die öffentliche Freiheit und gesamte Sicherheit des Staates» (ähnlich formulierte «Sicherheitsgesetze» gibt es heute noch und wieder überall auf der Welt). Aus der Aufführung entwickelte sich alsbald eine jährliche Tradition, bis 1834 der damalige Erzbischof wegen der geforderten Frauenstimmen weitere Aufführungen verbot – und Cherubini daraufhin kurzerhand sein Requiem in d-Moll für Männerstimmen und Orchester komponierte. Auch das Te Deum von Karol Kurpinski (1785–1857) ist eine Repräsentationsmusik, hier für die Krönung des russischen Zaren Nikolaus I. zum König von Polen im Jahr 1829.
Beide Werke werden den vorgegebenen Anlässen vollauf gerecht, wobei das hier vorgestellte, wohl gänzlich unbekannte Te Deum eine interessante Erweiterung des Repertoires und des Kontextes darstellt – hört man es gleichsam mit italienischen Ohren und in Kenntnis von Beethovens Neunter, aber auch in den choralartigen Teilen vor dem slawischen Hintergrund. Chor und Orchester des Collegium 1704 haben jedenfalls eine überzeugende Einspielung vorgelegt – einen Live-Mitschnitt vom 14. August 2019 aus der Heilig-Kreuz-Basilika in Warschau. Die Akustik des Kirchenraums wurde dabei erfreulich natürlich eingefangen. So bleiben insbesondere die Gesangsstimmen präsent, ohne in der Weite des Sakralbaus zu verschwimmen. Wer Cherubinis Requiem dagegen klarer in seiner Struktur hören möchte, sollte auf die Einspielung mit Frieder Bernius zurückgreifen (Carus, 2010).
Luigi Cherubini. Requiem c-Moll; Karol Kurpinski. Te Deum
Simona Šaturová (Sopran), Collegium Vocale 1704, Collegium 1704, Václav Luks
NIFC CD 073 (2019)