6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

David Moss – Terrain

David Moss – Terrain
David Moss – Terrain

Diese Platte darf wirklich in keiner Tonträger-Sammlung fehlen, die Jazz und Avantgarde einsammelt. Und das nicht nur aus diskographischen Gründen. Es handelt sich um eine Wiederveröffentlichung von David Moss‘ Erstlings-Soloalbum aus dem Jahr 1980. Davon wurden seinerzeit 1.000 Exemplare als Vinyl gepresst. Seit 1985 war «Terrain» nicht mehr erhältlich. Jetzt liegt endlich eine komplett neu von Ali N. Askin vozüglich gemasterte digitale Version vor.

Terrain zeigt David Moss als Perkussionisten-Klangtüftler und als Stimm-Körper-Werker zur gleichen Zeit. Das war 1980 irre, das ist es heute immer noch. Beste Klima für musikästhetische Vegetationsexplosionen.

Inhalt (nach Moss):

  • «Side 1 of the Terrain LP consists of seven solo pieces (some with voice), each an unedited single take (direct to stereo mix except for two overdubbed vocal quartets)
  • Side 2 has 4 overdubbed pieces (on between 4 to 8 tracks): one is voices only; one combines voices and glass jars (containing varying amounts of water); two combine voices with strings and percussion sounds.»

Was Moss da 1980 auf einen Schlag gelungen ist, ist die Integration von stimmlicher Tonerzeugung und von Geräuschkulturen aus dem Schlag- und Zupfwerk-Universum. Die Liste der eingesetzten Instrumente ist beeindruckend: «Voice, Drums, Steel Drums, Cymbal, Zither [Chinese], Hammered Dulcimer [Hammer Dulcimer], Timpani, Horns [Bicycle Horns, Corrugahorn], Percussion [Pot Covers, Plastic, Pods, Metal Pieces, Wood, Rocks, Water, Bertoia Sound Sculptures], Gong [Gongs], Triangle [Triangles], Temple Block, Performer [Toys, Koriko, Flexitones, Whoopers, Ratchets, Singing Tubes].» (Quelle)

Man könnte auch sagen, dass sich da gerade zwei musikalische Galaxien ineinander verschränken. Und auf geht ein Tor in eine neue musikalische Welt. Moss gliedert sich ein in diese da schon postmodern mäandernde Zeit ästhetischer Übersprungshandlungen, bei denen Grenzen und Identitäten fluide werden und der Avantgarde eine spielerische Dauerfrischluft zuführen. Jazz und Neue Musik lösen sich auf in einer unvorhersehbaren Klangwelt poetischer Utopien. Das eben waren die 80er-Jahre auch.

Der Zauber von damals wirkt heute nicht weniger, sondern schon längst wieder mehr, wo sich so viele ästhetische Konzepte auf Identität als Prinzip beziehen und sich damit selbst gefangennehmen, einschränken. Da, wo es heute gilt, alles richtig zu machen und damit vor allem und vor allen sich zu disziplinieren.


David Moss – Terrain [1980/2023]

  • David Moss: Voice, Percussion

yatak records (VÖ: 17.3.2023)

Autor

  • Martin Hufner. Foto: Kurt Hufner

    Martin Hufner ist Musikjournalist, Musikwissenschaftler, Blogger. Er betreut nebenbei die Online-Redaktion der neuen musikzeitung.

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