23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Trio élégiaque / Trio RoVerde

Trio élégiaque / Trio RoVerde
Trio élégiaque / Trio RoVerde

„Rachmaninow wurde aus Stahl und Gold geschaffen: Stahl in den Händen und Gold im Herzen.“ – Ein wunderbares Bonmot des aus Krakau stammenden Pianisten Józef Hofmann, der damit die wesentlichen Charakterzüge von Sergei Rachmaninow als ausübenden Pianisten beschrieben hat. Neben seinen Einspielungen sind es heute aber vor allem seine Werke, die in Erinnerung geblieben und im Konzertsaal präsent sind. In diesem Jahr vielleicht sogar mehr als gewöhnlich, denn Rachmaninow wurde vor 150 Jahren in einer Kleinstadt südlich von St. Petersburg geboren; gestorben ist er im Herbst einer langen Doppel-Karriere vor genau 80 Jahren kurz vor seinem 70. Geburtstag in Beverly Hills (Kalifornien). Zu bedauern ist dennoch, dass er mit dem Konzentieren seine Familie ökonomisch besser stellen konnte als mit dem Komponieren – die Nachwelt mag das beklagen.

Obwohl derartige Jubiläen und Gedenktage eine ganz eigene Dynamik entfalten, hat es auf dem Plattenmarkt bei «Rachmaninow» erstaunlicherweise kaum wirkliche Überraschungen gegeben – dazu ist das Œuvre zu überschaubar, ferner spielt das Klavier eine zu große Rolle (bezeichnenderweise blieben zwei frühe Streichquartette 1890 und 1896 Fragment). Und so ist es wieder einmal das auf den Tod von Tschaikowsky komponierte Trio élégiaque op. 9, mit dem medial reüssiert wird. In diesem Fall dokumentiert das junge Trio RoVerde mit diesem Album eine Live-Performance im Studio 150 (Amsterdam) – wer es lieber «sieht» statt «hört», kann dies bei YouTube. Was für mich dabei sehr erhellend ist: Die auf dem Album seltsam indirekte Aufnahme erklärt sich optisch durch die Aufstellung der Mikrophone. Die Formation tut mir dabei leid. Sehr engagiert musiziert und dabei gar nicht in einen tränenreichen Trauernebel gehüllt, macht die Interpretation einen sehr runden, ausgeformten und reifen Eindruck; was jedoch fehlt, ist der klanglich zupackende Biss. Klaviertrios und ähnliche Werke sind eben nicht in der räumlichen Akustik einer aufgelassenen Kirche zuhause, sondern zunächst einmal in einem mehr oder wenigen großen Salon. Aber vielleicht war dies im Februar 2022 auch nicht anders möglich, bzw. die Möglichkeit diktierte die Aufnahme. Seltsam nur, dass der Tag des publikumslosen Live-Events am Ende divergiert: Auf dem Album ist der 26. Februar 2022 angegeben, bei YouTube ist die Live-Übertragung auf den 27. Februar datiert.


Sergei Rachmaninow

  • Trio élégiaque Nr. 2 d-Moll op. 9
  • Morceaux de salon op. 6 Nr. 1 & 2
  • Lied (Romanze) f-Moll für Violoncello und Klavier
  • Stücke für Violoncello und Klavier op. 2
  • Morceaux de salon op. 6 für Violine und Klavier

Trio RoVerde
Brilliant Classics 96563 (2022)

HörBarKlavierkonzerte 1 & 4 / Boris Giltburg >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 4 in Michael Kubes HörBar #101 – Rachmaninow 150