23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Robert Oberaigner / Fritz Busch Quartett

Robert Oberaigner / Fritz Busch Quartett
Robert Oberaigner / Fritz Busch Quartett
Es gibt kammermusikalische Gattungen mit großen Traditionen und einer Vielzahl herausragender Meisterwerke, die wie Leuchttürme den Weg für anderes gewiesen haben. Es gibt aber auch Besetzungen, für die eine Handvoll Werke ausreicht, um genau jenen Beziehungsreichtum abzubilden, von denen die Musik und ihre Geschichte lebt. Dazu zählt insbesondere das Klainettenquintett – beginnend 1789 mit Mozarts Maßstäbe setzender Komposition KV 581, in dieser Qualität erst wieder gefolgt von Brahms’ op. 115 (1891) und nochmals 25 Jahre später fortgesetzt durch Regers op. 146 (1916). Wer gräbt, der wird noch andere gute Werke finden (etwa von Stephan Krehl, 1902, und Henri Marteau, 1909), die aber in zweiter Reihe stehen. Tatsächlich lassen Mozart, Brahms und Reger eine Linie erkennen: von dem wenig besagenden Umstand, dass die Partituren aus den jeweils «letzten Jahren» stammen, bin hin zu der auffälligen Koinzidenz, dass sie alle mit einem Variationssatz als Finale abschließen – und damit auch die Klarinette mit ihre Registern und Ausdrucksmöglichkeiten bestens «in Szene» setzen.

Und so begegnen in der Regel zwei dieser drei Werke in nahezu jeder Einspielung in instruktiver Koppelung; für weiteres Repertoire besteht unter solch eingefahrenen Bedingungen kaum eine Chance, obwohl auch hier einmal genauer nachgeschaut und hingehört werden müsste (Hindemith jedenfalls verweigerte sich mit seinem op. 30 konsequent). Mit Blick auf «Reger 150» konnte das bei diesem Album freilich kein sinnvoller Ansatz sein. Vielmehr stellt sich die Frage, wie man Regers letzter vollendeter Komposition in ihrer ganzen Intimität und Ausdrucksdichte gerecht werden kann, denn nach seinem Zusammenbruch und mit dem Umzug von Meiningen nach Jena lässt sich eine gewisse Abgeklärtheit aus den Partituren heraushören. Dieser Fasslichkeit werden Robert Oberaigner und das Fritz Busch Quartett vollauf gerecht: Hier darf man sich an Kammermusik in interpretatorischer Vollendung erfreuen – vom einzelnen Parameter bis ins Ganze. Ein so warmer, fallweise auch dynamisch extremst zurückgenommener und doch immer fließender Klarinettenton, wie ihn Oberaigner gestaltet, ist in den letzten Jahren rar geworden. Zudem agieren er und das Fritz Busch Quartett auf Augenhöhe, so dass sich in keinem Moment ein «concertare» einschleicht. Man merkt der Einspielung an, dass alle Musiker (jeder in solistischer bzw. führender Position in der Sächsischen Staatskapelle) den seidigen Ton dieses Klangkörpers auch auf andere Besetzungen übertragen können.

Johannes Brahms. Klarinettenquintett h-Moll op. 115; Max Reger. Klarinettenquintett A-Dur op. 146
Robert Oberaigner (Klarinette), Fritz Busch Quartett

MDG 903 2287-6 (2022, 2023)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #097 – Reger 150