24. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Christian Tetzlaff / Brahms & Berg

Christian Tetzlaff / Brahms & Berg

Es ist eines jener Alben, die wahrlich nicht alltäglich zu nennen sind. Und das bei gleich zwei Werken, die zum Standard gehören, von denen alle Musikliebhaber:innen in der eigenen Tonträger-Sammlung bereits eine oder mehrere bevorzugte Einspielungen haben. Wie hier aber Christian Tetzlaff die oft gehörten, allzu vertrauten Kompositionen angeht und umsetzt, frappiert noch beim zweiten, dritten und auch vierten Hören. Und nicht zu vergessen und keineswegs in die zweite Reihe zu stellen: das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter Robin Ticciati ohne sein Zutun die Interpretation nicht zu denken wäre. Was also

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Robert Oberaigner / Fritz Busch Quartett

Robert Oberaigner / Fritz Busch Quartett

Es gibt kammermusikalische Gattungen mit großen Traditionen und einer Vielzahl herausragender Meisterwerke, die wie Leuchttürme den Weg für anderes gewiesen haben. Es gibt aber auch Besetzungen, für die eine Handvoll Werke ausreicht, um genau jenen Beziehungsreichtum abzubilden, von denen die Musik und ihre Geschichte lebt. Dazu zählt insbesondere das Klainettenquintett – beginnend 1789 mit Mozarts Maßstäbe setzender Komposition KV 581, in dieser Qualität erst wieder gefolgt von Brahms’ op. 115 (1891) und nochmals 25 Jahre später fortgesetzt durch Regers op. 146 (1916). Wer gräbt, der wird noch andere gute Werke

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Boulanger Trio

Boulanger Trio

Mit Cover und Artwork ist das Label weit über das Ende der Landebahn hinausgeschossen (um einmal im «Bild» zu bleiben). Während sich mancherorts Menschen an reale Kunstwerke heften, um das Klima zu retten, haben die Damen des Trio Boulanger die Parkposition erreicht. Mit dem schönen Titel «Wanderlust» vermag ich jedenfalls keine Turboprop-Maschine zu verbinden (in diesem Fall wohl sogar eine oft für Privatflüge verwendete Dornier 328-100). Dass man es mit dem Motiv ernst meint, zeigen im Booklet zwei weitere im Tageslauf aufgenommene Fotos. Doch auch bei der abgedruckten Trackliste zeigt

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Feininger Trio

Feininger Trio

Ein wunderbarer Brahms-Zyklus zeichnet sich ab! Wunderbar in der Interpretation, wunderbar auch in der Zusammenstellung. Denn hier werden die drei Klaviertrios des norddeutschen Wahl-Wieners nicht nur in einer herausragenden Einspielung vorgelegt, sondern darüber hinaus kombiniert mit jeweils einem anderen, noch immer vielfach unterschätzten Werk – von der Jahrhundertwende bis in die Moderne, und zwar chronologisch gegenläufig: In der ersten Folge stand Brahms’ op. 101 (1886) dem Trio d-Moll op. 3 (1896) von Alexander Zemlinsky gegenüber, hier nun sind es das op. 87 (1882) und das frühreife Opus 1 (1910) von

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Linos Ensemble

Linos Ensemble

Der mühsame Weg zur Sinfonie bei Brahms ist legendär. Dass auf diesem steinigen Pfad in den Jahren 1857 bis 1859 in Detmold gleich zwei veritable Serenaden entstanden, wird oft genug übersehen – aus verschiedenen Gründen. Da wäre zunächst – so simpel es klingt – die Benennung der Werke als «Serenaden», die nach «Nachtmusik» (so Brahms selbst) klingt. Geradezu kurios mutet heute die nur zwischenzeitliche Bezeichnung der späteren Umarbeitung von op. 11 als «Sinfonie-Serenade» an. Das Werk zählt zudem sechs Sätze, das op. 16 immerhin fünf. Ferner fallen die beiden Werke

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Daniil Trifonov

Daniil Trifonov

Um den Titel dieses Doppelalbums zu verstehen, empfiehlt sich die Lektüre des Booklets. Mit den unter dem Motto «The Art of Life» versammelten Sätzen und Kompositionen möchte Daniil Trifonov nämlich einen Zugang zum Menschen Johann Sebastian Bach finden, ihm und seiner Zeit näherkommen. Der zu lesende Text ist freilich einer jener Essays, die seit einigen Jahren Einzug in derartige «Konzeptalben» gehalten haben: Entweder reflektieren dabei die Musiker:innen selbst ihre subjektive Sichtweise oder lassen einen versierten Autor antreten, der in seinen Text reichlich O-Töne hineinwebt. Das kann gelingen, muss aber nicht.

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Johannes Brahms / Iván Fischer

Johannes Brahms / Iván Fischer

Mit wechselnder Intensität nehmen sich Iván Fischer und sein Budapest Festival Orchestra des großen romantischen Repertoires an. Manches überrascht dabei, anderes erfüllt (auf hohem Niveau) die gesetzten Erwartungen nicht ganz. So auch bei diesem Album, das nach mehr als zehn Jahren nicht nur die Gesamteinspielung des vierteiligen Zyklus‘ abschließt, sondern auch eine der beiden viel zu selten gespielte Serenaden berücksichtigt. Dass die rundweg sehr ordentliche und in sich stimmige Aufnahme der dritten Sinfonie bei mir keinen Ehrenplatz am CD-Player erhält, liegt an verschiedenen Aspekten, die sicherlich etwas mit persönlichen Vorlieben

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Brahms, Piatti / Guido Schiefen

Brahms, Piatti / Guido Schiefen

Alben wie dieses führen immer wieder vor Augen, wie selbstverständlich und selbstgerecht wir heute mit dem Repertoire und den wichtigsten Protagonisten des Musiklebens im langen 19. Jahrhundert umgehen. Die Fokussierung auf einzelne Meister, die Auswahl nur weniger Werke und die nach wie vor höchst präsente Heldenverehrung lassen weit gespannte Netzwerke, ganze Œuvres und den internationalen Austausch im Nebel der Zeit verschwinden. Noch immer wird die Reichweite des (auch institutionellen) Wirkens von Franz Liszt unterschätzt, das früh ausgeprägte öffentliche britische Musikleben auf dem Kontinent nicht wahrgenommen, die Musikkultur des östlichen Kakaniens

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Romantische Lieder / Prégardien, Katsaris

Romantische Lieder / Prégardien, Katsaris

Selten, viel zu selten begegnet einem ein solches Album. Werden Lieder und Gesänge eingespielt, so sind es sonst meist die großen Zyklen, oder der Fokus wird auf einen einzigen Komponisten gelegt. Dramaturgisch anspruchsvoller sind hingegen solche Produktionen, die in einem konkret oder auch abstrakt formulierten Themenkreis Einzelnes zu neuer Wechselwirkung zusammenfügen. Auch Erweiterungen der Besetzung und des meist eng gezogenen Repertoires sind nur selten anzutreffen; die raren Ausnahmen bestätigen umso mehr die Regel. Bereits 2017 versammelte Christoph Prégardien mit A Matter of Heart (2017) mehrere Lieder mit obligatem Horn und

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Ron Davis: The Instrumental Music Liberation Front [2020]

Ron Davis: The Instrumental Music Liberation Front [2020]

Oh, das geht schief. Auf welchem Niveau aber nur. Leider war mein erster Gedanke, da geht es um allgemeine Befreiung. So wie bei Charlie Hadens „Liberation Music Orchestra“. Also schon mal Herbert Marcuse rausgeholt und ein paar Latschen übergestreift. Aber genau Lesen macht bekanntlich schlau. Es geht nämlich um nicht Geringeres als die Befreiung der Instrumentalmusik aus den Fängen und Vorherrschaft der Vokalmusik. «Ron believes that instrumental music has recently disappeared amongst an ocean of vocals and words. This transgression is one that Ron wants to overturn with his 13th

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Alban Berg Quartett – Complete Recordings

Alban Berg Quartett – Complete Recordings

37 Jahre bestand das legendäre Alban Berg Quartett, das mit seinen Interpretationen selbst ein Stück Gattungsgeschichte geschrieben hat. Auch wenn die Formation (anders als andere) nur wenige neue Partituren zur Uraufführung brachte, so hatte sie sich nie ausschließlich dem klassisch-romantischen Repertoire verschrieben (auch hier: anders als andere). Überdies finden sich Produktionen, die über ihre angestammte Domäne hinausgehen: Walzer von Strauß I und II sowie Lanner, teilweise in Arrangements der Zweiten Wiener Schule (eingespielt 1992), und Tango Sensations mit Werken von Astor Piazzolla & Co. (2003). Als sich das Quartett 2007

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Brahms: Sinfonien – Wiener Symphoniker / Philippe Jordan

Brahms: Sinfonien – Wiener Symphoniker / Philippe Jordan

Philippe Jordan und die Wiener Symphoniker haben in den letzten Jahren mit ihrer schrittweise erschienenen Gesamteinspielung der Beethoven-Sinfonien überzeugt – klanglich ausgewogen und präsent, interpretatorisch gleichermaßen den Traditionen verbunden wie auch frisch im Zugriff. Nun also Brahms. Die Box überrascht (wie vor einiger Zeit auch bei Daniel Barenboim) mit der Entschlossenheit, jede der vier Sinfonien auf eine CD zu bannen, obwohl zumindest Nr. 3 und 4 zu koppeln gewesen wären. Zugleich wurde auf das bei solch einer Gelegenheit oft übliche sinfonische „Supplement“ verzichtet: kein Auffüllen der Spielzeit mit den Haydn-Variationen

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