13. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Max Reger / Artium Trio

Max Reger / Artium Trio
Max Reger / Artium Trio
Dieses Album beschreibt im gewissen Sinne die Entwicklung des jungen portugiesischen Artium Trios: Es wurde 2016 gegründet, die Einspielung wurde wurde 2018 produziert, die Veröffentlichung erfolgte aber erst 2021 bei Brilliant Classics – weit im Vorfeld des Reger-Jahr 2023 (150. Geburtstag), das selbst für einen seit langem überzeugten Regerianer nahezu unbemerkt seinem Ende entgegen geht. Umso mehr darf man sich daher an dieser Einspielung und einer Trio-Formation freuen, der ich deutlich mehr Aufmerksamkeit wünsche! Wenn diese Aufnahme aber schon fünf Jahre alt ist – wie wird das Ensemble seither noch weiter gereift sein?

Denn Regers spätes Klaviertrio op. 102 gehört wahrlich nicht zu den Werken, die im Konzert anzutreffen sind oder sich überhaupt im Repertoire finden. Und Reger fordert von seinen Interpreten nicht allein höchste technische Meisterschaft, um die sprichwörtliche «Akkordarbeit» zu meistern, sondern vor allem musikalische Kompetenz, die es erlaubt, die teilweise komplexe harmonische Entwicklung einer Phrase zu überschauen, die Dramaturgie eines ganzen Satzes zu gestalten – Anforderungen, an denen sich jede Interpretation und jede Einspielung messen lassen muss. Umso erstaunlicher ist es, dass das Artium Trio für sein zweites Album ausgerechnet dieses Werk ausgewählt hat – kein leichter Weg, keine breite Straße des sicheren Erfolgs. Was die drei jungen Musiker aus dem vielfach unbeachteten Südwesten Europas hier leisten, ist mehr als nur famos: Mit sicherem Blick aufs Ganze, dynamischen Differenzierungen und präzise atmender Artikulation wird hier Reger nicht nur gegen sein Kritiker verteidigt, sondern mit Charakter und Ausdruck, mit Feuer und Nachdenklichkeit endlich als große Musik dargeboten. Das betrifft den schmachtenden Kopfsatz (Allegro moderato, ma con passione) ebenso wie das tief in sich versunkene, traumhaft umgesetzte Largo oder das nicht zu gehetzt angegangene Finale (Allegro con moto), bei dem die für Reger so typischen agogischen Modelle ins Rollen kommen. Als Zugaben schließen sich auf dem Album die wunderschöne Suite op. 79d (Violine und Klavier) und die beiden Stücke op. 79e (Violoncello und Klavier) an – Werke, deren Sätze sich auch als Encores empfehlen.

Max Reger. Klaviertrio e-Moll op. 102; Suite für Violine und Klavier op. 79d; Zwei Stücke für Violoncello und Klavier op. 79e
Artium Trio

Brilliant Classics 95727 (2018)

HörBarRobert Oberaigner / Fritz Busch Quartett >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #097 – Reger 150