23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Smith Brindle / Duilio Meucci

Smith Brindle / Duilio Meucci
Smith Brindle / Duilio Meucci
Schon die Biographie von Reginald Smith Brindle (1917–2003) liest sich verblüffend spannend. In der Grafschaft Lancashire geboren, widmet er sich schon früh der Gitarre, der Klarinette und dem Saxophon, später auch der Orgel. Auf Druck der Eltern beginnt er ein Studium der Architektur, abends aber spielt er in Jazz-Formationen. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmet sich Smith Brindle schließlich der Komposition; zu seinen Lehren zählen Ildebrando Pizzetti und Luigi Dallapiccola. Schließlich wird er selbst in Bangor Dozent und veröffentlich eine Reihe von Schriften zur zeitgenössischen Musik (u.a. Musical Composition, Oxford 1986). Dass ihn die Gitarre ein Leben lang begleitete, ist auch an seinem schöpferischen Schaffen abzulesen. Dabei geht die erste Folge einer sich bei Naxos ankündigenden Gesamteinspielung dieses Teils seines Œuvres nicht chronologisch vor, sondern spiegelt die stilistische Breite der Werke – hier zwischen den Jahren 1946 und 1977.

Sieht man von im Lauf der Zeit vorgenommenen Veränderungen in der Organisation des Tonsatzes ab (ohnehin eine untergeordnete Frage), lässt sich von der Ästhetik und dem Ausdruck her ein einheitlicher Stil beschreiben, der vor allem das Idiom des Instruments ins Zentrum rückt, sich aber zugleich weitgehend von den spanisch-andalusischen Topoi emanzipiert. Dass das nicht immer gelingt (auch in den Variationen über Bach-Themen, 1970) muss nicht enttäuschen – zu stark wirkt in der Musik und den idiomatischen Klangebenen der Gitarre noch immer der Sound der iberischen Halbinsel nach (lässt er sich je gänzlich ablegen?). Die Einspielung von Duilio Meucci ist als ein Plädoyer zu verstehen: für einen weitgehend in den Hintergrund gerückten Komponisten und für ein reiches kompositorisches Schaffen, das trotz technischer Regularien keinen abstrakten Ideen ideologisch folgt. Die im Nachhall spürbare Akustik der St. Paul’s Church in Newmarket (Ontario) ist nicht störend, steht aber im Widerspruch zur direkten, kammermusikalischen Aufstellung der Mikrophone. – Bei der schönen Cover-Abbildung handelt es sich übrigens nicht um eine musikalische Komposition, sondern um das rein bildnerische Concerto Improvvisamente von Sylvano Bussotti (1931–2021).

Reginald Smith Brindle. Etruscan Preludes (1949); El Polifemo de oro (1956/81); Nocturne (1946); Memento (1973); Do Not Go Gentle Into That Good Night (1974); Variants on Two Themes of J. S. Bach (1970); Guitarcosmos Vol. 3: Three Inventions (1977); Four Poems of Garcia Lorca (1975)
Duilio Meucci (Gitarre)

Naxos 8.574476 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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