Tatsächlich gliedert das eingefügte Ritornello auf gut nachvollziehbare Weise die sechs Sätze umfassende Sonate. Sodann verblüfft der nun deutlich radikalere Beginn von Gloucester mit einem den Klangraum schneidend scharf durchbrechenden Bartók-Pizzicato. Ob allerdings die Einspielung dem revidierten Notentext entsprechend eine maßgebliche Sicht auf die Royal Winter Music eröffnet, ist fraglich. Zwar verfügt Marco Minà über eine durch und durch profunde Technik und versteht, die Verläufe und Charaktere zu gestalten. Mir rückt die Einspielung allerdings das Instrument zu nah an meine Ohren – fast so, als würde die soziale Distanz, die es nicht nur zwischen Menschen, sondern auch vom Hörer zum Instrument hin gibt, einfach gekappt. So unmittelbar direkt, ohne die Atmosphäre eine Raumes, wirkt dann die Gitarre bedrohlich mächtig als ob hier ein Wintersturm aufzöge. Kummer bereiten die Metadaten der Einspielung, denn Aufnahmeort und -jahr wurden nicht verzeichnet. Dies gilt auch für die Produktion des auf einer DVD beigelegten Dokumentarfilms Hans Werner Henze in Villa La Leprara – vermutlich ein Muss für Fans, die dann vielleicht über das mehrfach sich wiederholende Raster des Drehbuchs und etliche Längen hinwegsehen können. Die Villa wurde übrigens im Frühjahr 2021 mit Blick auf die hohen Unterhaltskosten und anstehenden Renovierungen von der Henze-Stiftung veräußert.
Hans Werner Henze. Royal Winter Music I (1976); Royal Winter Music II (1979); «Hans Werner Henze in Villa La Leprara». A Docmentary (DVD)
Marco Minà (Gitarre)
NovAntiqua NA 80 (2022)
https://open.spotify.com/album/5TjlSQ1OVsQt4DGa6Qixvs