Sieht man von im Lauf der Zeit vorgenommenen Veränderungen in der Organisation des Tonsatzes ab (ohnehin eine untergeordnete Frage), lässt sich von der Ästhetik und dem Ausdruck her ein einheitlicher Stil beschreiben, der vor allem das Idiom des Instruments ins Zentrum rückt, sich aber zugleich weitgehend von den spanisch-andalusischen Topoi emanzipiert. Dass das nicht immer gelingt (auch in den Variationen über Bach-Themen, 1970) muss nicht enttäuschen – zu stark wirkt in der Musik und den idiomatischen Klangebenen der Gitarre noch immer der Sound der iberischen Halbinsel nach (lässt er sich je gänzlich ablegen?). Die Einspielung von Duilio Meucci ist als ein Plädoyer zu verstehen: für einen weitgehend in den Hintergrund gerückten Komponisten und für ein reiches kompositorisches Schaffen, das trotz technischer Regularien keinen abstrakten Ideen ideologisch folgt. Die im Nachhall spürbare Akustik der St. Paul’s Church in Newmarket (Ontario) ist nicht störend, steht aber im Widerspruch zur direkten, kammermusikalischen Aufstellung der Mikrophone. – Bei der schönen Cover-Abbildung handelt es sich übrigens nicht um eine musikalische Komposition, sondern um das rein bildnerische Concerto Improvvisamente von Sylvano Bussotti (1931–2021).
Reginald Smith Brindle. Etruscan Preludes (1949); El Polifemo de oro (1956/81); Nocturne (1946); Memento (1973); Do Not Go Gentle Into That Good Night (1974); Variants on Two Themes of J. S. Bach (1970); Guitarcosmos Vol. 3: Three Inventions (1977); Four Poems of Garcia Lorca (1975)
Duilio Meucci (Gitarre)
Naxos 8.574476 (2022)