6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Elogio / Krzysztof Meisinger

Elogio / Krzysztof Meisinger
Elogio / Krzysztof Meisinger
Gegenüber Alben, die sich vor allem als Künstlerportrait verstehen oder sich als solche zu erkennen geben, regt sich bei mir in der Regel ein gewisser Zweifel. Allzu oft rückt hier das Selbstverständnis des Interpreten oder der Interpretin in den Vordergrund – die bloß abgespielten, gelegentlich exekutierten oder auch ins Extreme gesteigerten Partituren verkommen dann zum Vehikel eines nicht einmal mehr künstlerisch geleiteten Egos. Die aktuellen Beispiele dafür sind leider nicht ganz so rar, wie man es bisweilen hofft. Umso schöner sind dann die «Ausnahmen», die doch eigentlich die Regel sein sollten. Dazu zählt auch Krzysztof Meisingers Debüt-Album beim Label Chandos mit Werken von Joaquín Rodrigo (1901–1999), Miguel Llobet Solés (1878–1938), Mario Castelnuovo-Tedesco (1895–1968) und Astor Piazzolla (1921–1992).

Hier ist ein Meister seines Instruments zu hören, der nicht bloß mit den Farben spielt, sondern auch zu gestalten weiß. Wer einen guten Freund oder eine gute Freundin von der klassischen Gitarre überzeugen möchten – hier ist mit Sicherheit eines der Alben, die unmittelbar gefangen nehmen und die man sehr gerne hört. Wieder und wieder. Was Krzysztof Meisinger seinem wunderbar sonoren, eher weich als scharfkantig klingenden Instrument an Tönen zu entlocken versteht, fasziniert und öffnet die Welt zu besonderen Klangsphären: sei es mit den sehr persönlich gefärbten Werken von Rodrigo oder mit den im Understatement so herrlich virtuosen Variationen von Llobet oder dem Capriccio diabolico von Castelnuovo-Tedesco. Selbst die Stücke von Piazzolla erhalten in den Händen von Meisinger einen Ausdruckscharakter jenseits des Üblichen. All das ist nur als Ergebnis von durchwegs reflektierten Interpretationen zu verstehen – wie auch Meisinger selbst im Booklet so sympathisch von der schwierigen Beziehung zum Instrument, seiner Leidenschaft und seinen Zweifeln schreibt. Wohl nur durch diesen Zweifel hindurch gelingt es wohl, «in einer hässlichen Welt den Himmel zu berühren».

Elogio de la Guitarra
Joaquín Rodrigo. Invocación y danza (1961); Elogio de la guitarra (1971); Miguel Llobet Solés. Variaciones sobre un Tema de Sor op. 15 (1908); Mario Castelnuovo-Tedesco. Capriccio diabolico op. 85 (1935); Astor Piazzolla. Cinco Piezas (1981)
Krzysztof Meisinger (Gitarre)

Chandos CHAN 20225 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 2 von 5 in Michael Kubes HörBar #094 – Gitarre