5. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Beethoven: Piano Concertos – Brautigam (Fortepiano) / Kölner Akademie / Willens

Nachdem sich Ronald Brautigam bereits mit Beethovens Sonaten, Variationen und Bagatellen auseinandergesetzt hatte, war es nur noch eine Frage der Zeit, wann und mit welchem Orchester die Klavierkonzerte folgen würden. Nun also sind sie pünktlich zum Jahr 2020 erschienen – und wie bei dem schwedischen Label BIS üblich, ist es eine herausragende Einspielung mit kräftigem Understatement geworden. Da gibt es keine Pressekonferenzen, keine breit angelegte Promotion. Selbst das eigentliche Produkt ist im ecopak aus Pappe unscheinbar: keine knalligen Farben, kein Heroenstatus – und alles auf nur zwei CDs gebannt.

Beethoven: Piano Concertos – Brautigam (Fortepiano) / Kölner Akademie / Willens
Beethoven: Piano Concertos – Brautigam (Fortepiano) / Kölner Akademie / Willens

Brautigam hat auf seine unverkennbare Art einmal mehr viel zu sagen. Ganz ohne Star-Allüren präsentiert er die Werke als agilen musikalischen Organismus, dem man nicht mit Mätzchen, sondern ausgefeilter Agogik und präziser Farbgebung beikommt. Dabei ist das gegenüber dem vollen Orchester etwas leisere, aber mit seinem silbrigen Klang so charakteristische Pianoforte sein Instrument – in den drei frühen Konzerten der Nachbau eines Walter-Flügels von 1805, in den beiden späteren der eines Graf (1819).

Die bei solchen Produktionen obligatorische Gretchen-Frage, wie man es mit dem Ausgleich von Solo und Tutti hält, beantwortet in diesem Fall die Kölner Akademie unter Michael Alexander Willens auf ganz eigene Weise: mit angenehm reduzierter Streicherbesetzung, vor allem aber mit einer wirklich gut ausgehörten Balance, die Beethoven in seine Partituren auch schon einkomponiert hat. So besticht die Einspielung durch anhaltende Frische wie auch durch eine unaufgeregte Ausgewogenheit, bietet gelegentlich ein Augenzwinkern (Finale in op. 15), versteht sich aber auf sonor ausgespielte Gesten (op. 73). So gespielt, vermittelt sich gar ein unmittelbarer „authentischer“ Eindruck, der für einen Moment die spätere Rezeptionsgeschichte der Werke und mehr noch ihres Komponisten für einen Moment vergessen macht.


Ludwig van Beethoven. The Piano Concertos
Ronald Brautigam (Fortepiano), Die Kölner Akademie, Michael Alexander Willens
BIS-SACD-2274 (2017/18)

 

HörBarKaleidoscope. Beethoven Transcriptions – Mai Kodama (Klavier) >>

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 6 in Michael Kubes HörBar #013 – Beethoven & Co.