6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Mozart / Ignaz von Seyfried

Mozart / Ignaz von Seyfried
Mozart / Ignaz von Seyfried
Verblüffend. Bei fast jeder Geste wird man denken: Ja, so ist es recht instrumentiert. Nur in der Gesamtschau will das doch nicht so recht passen. Wo also liegt der «Fehler»? Zunächst einmal nicht bei der Produktion selbst, die hier in jeder Weise eine Pionierarbeit vorlegt – eine Ersteinspielung gar. Und solange nicht weitere Planeten mit stehenden Ensembles besiedelt sind, werde ich das Präfix «Welt-» prinzipiell auslassen; «Welt» meint hier wohl eher «Erde» als »Universum». Des weiteren muss man nicht erst in die Noten der Vorlagen dieser Bearbeitungen hineinschauen, um zu hören, dass es sich um Klavierwerke handelt. Denn anders als etwa Beethoven mit seiner eigenen Klaviersonate op. 14/1 verfahren ist (bei einer sehr eigenständigen Fassung für Streichquartett), hängt hier Ignaz von Seyfried (1776–1841) als versierter Zeitgenosse dann eben doch zu eng am Notentext des verehrten Meisters.

Natürlich macht diese Aufnahme der Bearbeitungen große Freude im kreativen Mitdenken. Aber dabei offenbaren sich auch jene Passagen, die mancher wohl anders gelöst hätte. Vor allem: Dass eine orchestrale Umsetzung einer Klavierpartitur partiell so steif, in Eis gefroren oder auch mit dem Zeigefinger pointiert sein kann, ist schon eine eigenartige Hör-Erfahrung. Was also ist gewonnen? Die Einspielung gibt nicht nur Einblick in die Mozart-Rezeption des frühen 19. Jahrhunderts, sondern lädt auch dazu ein, die eigenen Erwartungen zu reflektieren. Ein interessantes Experiment, bei dem man sich dann aber doch recht allein vorkommt, wo es einen zur Diskussion drängt. Kuriosität am Rande: Der sechs Seiten umfassende Essay im Booklet speist sich zu zwei Dritteln aus Zitaten aus der in solchen Fällen unersetzlichen Leipziger AMZ. Ich hätte mir fraglos mehr bei solch einer «…ersteinspielung» erwartet.

New Mozart Vol. 2
Wolfgang Amadeus Mozart. Grande Fantaisie c-Moll (arr. von Ignaz von Seyfried nach der Fantasie c-Moll KV 475 und der Sonate c-Moll KV 457); Grande Fantaisie f-Moll (arr. von Ignaz von Seyfried nach zwei Sätzen aus dem Klavierquartett g-Moll KV 478 und der Fantasie f-Moll KV 608)
Mozarteumorchester Salzburg, Reinhard Goebel

Sony 19439963992 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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