Leicht ist es daher nachzuvollziehen, dass das kompositorische Schaffen von Karol Rathaus unter die Räder des unaufhaltsamen Mahlwerks der Zeitgeschichte geriet. Es handelt sich freilich um Werke, die in Ton und Gestalt nicht auf äußere Sensation angelegt sind oder einem der zeitgenössischen Hypes folgen. Dazu klingen sie viel zu dunkel und streifen in Teilen die schwer auszulotende Welt des Grotesken. In keinem einzigen Takt findet sich irgendeine Form der Anbiederung. Zugleich entzieht sich die Tonsprache von Karol Rathaus einer einfachen Schubladisierung. Manches klingt mir nach einem wohl noch nicht näher beschriebenen osteuropäischen Expressionismus, anderes bezieht hie und da jazzige Tanzrhythmen oder die in den 1920er Jahren angesagte Motorik mit ein. Das betrifft die Klavierstücke op. 9 (1924) im Kleinen wie auch die dreisätzige Sonate op. 8 (1924/27) im Großen (mit einem eigenwilligen Presto in der Mitte). Supplement sind hingegen die Stücke aus «Der letzte Pierrot» (1926/27) wie auch die drei Nummern aus der Filmmusik zu «Der Mörder Dimitri Karamasoff». Sie vervollständigen das Bild, zumal es sich bei diesem Album um die erste Folge einer Gesamteinspielung Klaviermusik von Karol Rathaus handelt. Sie ist bei Daniel Wnukowski, der sich hörbar für Komponist und Œuvre engagiert, in besten Händen.
Karol Rathaus. Piano Music Vol.1
Fünf Klavierstücke op. 9 (1924); Klaviersonate Nr. 2 op. 8 (1924/27); Trois Mazurkas op. 24 (1928); Zwei Stücke aus «Der letzte Pierrot» (1926/27); Auszüge aus der Filmmusik zu «Der Mörder Dimitri Karamasoff» (1931)
Daniel Wnukowski (Klavier)
Toccata TOCC 0511 (2019)