Obwohl er zu den bedeutendsten Kompositionslehrern im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zählte, ist es um Woldemar Bargiel (1828–1897) und seine Musik recht still geworden. Nun drängt sich sein Œuvre auch nicht auf: Wer sucht, der findet eine Sinfonie und zwei Konzertouvertüren, drei Klaviertrios, vier Streichquartette und ein Streichoktett neben Werken für Klavier und Chor (diese teilweise mit Orchesterbegleitung). Eingespielt ist davon einiges – aber doch vielfach eher «zur Dokumentation». Ausgenommen ist davon die Kammermusik, und hier insbesondere die Klaviertrios, die bereits vor mehr als 25 Jahren das Trio Parnassus mit einer sehr schönen, in sich abgerundeten Einspielung wiederbelebte (bei MDG, derzeit leider vergriffen).
Nun nimmt sich auch das britische Leonore Piano Trio dieser Werke an, die mit den Klaviertrios von Robert Schumann (Bargiels Schwager) und Albert Dietrich (einem Schüler Schumanns) zusammen gedacht und gehört werden sollten. Das Ensemble, das sich zuletzt sehr verdienstvoll für die Klaviertrios von Henry Litolff eingesetzt hat (absolut hörenswert!), frischt die fast vergessenen Partituren auf – betont allerdings Bargiels konservativ-akademische Seite, obgleich die Klaviertrios doch auch eine deutliche Poesie atmen. Zudem werden einige Sätze zu sehr in die (spätere) mitunter saftige sinfonische Kammermusik eines Johannes Brahms gerückt, besonders der Kopfsatz aus dem Klaviertrio op. 20 von 1857 – eine vertretbare Perspektive, die aber einen nicht zu unterschätzenden Aspekt in Bargiels kompositorischer Ästhetik ein wenig an den Rand drängt. Auf die Interpretation wirkt sich so wohl die große und hohe Henry Wood Hall aus. Kammermusik sollte in intimeren Lokationen (ein-)gespielt werden, dann besteht auch nicht die Gefahr, einen Raum «füllen» zu müssen.
Woldemar Bargiel. Klaviertrio Nr. 1 F-Dur op. 6; Klaviertrio Nr. 2 Es-Dur op. 20
Leonore Piano Trio
Hyperion CDA 68342 (2021)