23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Smetana & Schostakowitsch / Trio Alba

Smetana & Schostakowitsch / Trio Alba
Smetana & Schostakowitsch / Trio Alba
Hinter den Namen des einen oder anderen Ensembles verbergen sich ganze Geschichten: Beim 2009 gegründeten Trio Alba ist es das italienische Wort für den Sonnenaufgang und die Morgenröte. Im Booklet wird dabei verwiesen auf das für alle Kenner der Gattung Klaviertrio bekannte Zitat eines schwedischen Lieds in Schuberts Es-Dur-Trios (D 929): «Se solen sjunker». Dumm nur, dass dort ausgerechnet ein Sonnenuntergang besungen wird, also eher ein «Trio tramonto». Aber was soll’s – derartige Beckmessereien verderben einem nur die Freude an diesem sehr griffigen, engagierten und voll Feuer steckenden Album. Das Trio Alba hat drei Werke ausgewählt, die nicht nur autobiographische Bezüge, sondern damit auch interpretatorische Herausforderungen in sich tragen. Eine permanente Gratwanderung zwischen Form und Emotion – nicht nur für die Komponisten.

Smetana und Schostakowitsch sind sich mit ihren Klaviertrios erstaunlich nahe, insofern ist die Zusammenstellung mehr als nur stringent: Sie überzeugt auch musikalisch. Mehr aber noch gelingt es dem Trio Alba bei aller Subjektivität im fordernden Ausdruck souverän die Kontrolle über die Gestaltung der Partituren zu bewahren. Da gibt man sich nicht bloß dem allmächtigen Fatum hin, sondern balanciert auf sehr glückliche Weise auf dem schmalen Grat der Realisierung derartiger Werke, die nur mit Willenskraft und sicherer Vorausschau derartig abgeklärt und dennoch in der Tiefe ergreifend zu absolvieren ist. Vor allem das als op. 67 gedruckte zweite Klaviertrio von Schostakowitsch (besonders der zweite und dritte Satz) stellt hier höchste Anforderungen angesichts der anhaltenden Gefahr einer gedanklichen und emotionalen Überfrachtung nach allen Seiten. Das Trio Alba ist davor gefeit, weil es die Musik selbst, die Kantabilität der klagenden Melodien und den rhythmischen Drive nicht eigens betont, sondern in erkennbarem Maß musikantisch laufen lässt. Eine Sichtweise, die um einige Facetten reicher ist als manch «engagierte», einseitige und vordergründig intensivere Deutung.

Bedřich Smetana. Klaviertrio g-Moll op. 15; Dmitri Schostakowitsch. Klaviertrio Nr. 1 c-Moll op. 8; Klaviertrios Nr. 2 e-Moll op. 67
Trio Alba

MDG 903 2243-6 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #117 – Klaviertrios