Er gehört zu den während der 1930er Jahre ins Exil geflüchteten Komponisten, die gemeinsam mit ihrem Œuvre nahezu vollständig vergessen wurden: Robert Müller-Hartmann (1884–1950). Nach seiner gründlichen Ausbildung in Berlin am Stern’schen Konservatorium war er zunächst in seiner Heimatstadt Hamburg als Dozent für Harmonielehre, Musiktheorie und Komposition tätig, seine Werke bis 1937 stehen stilistisch den großen Spätromantikern nahe und denken sie weiter. Müller-Hartmann ist damit in eine Reihe mit vielen anderen Komponisten seiner Generation zu stellen, die keinen der neuen Wege der 1920er Jahre beschritten, sondern sich (wie auch zuvor Max Reger) mehr der Tradition verpflichtet fühlten. Seine Werke fanden keinen Eingang in das internationale Repertoire – ein Umstand, der dann auch die ersten Jahre in England problematisch gestaltete. Einen Freund und Fürsprecher fand Müller-Hartmann dann in Ralph Vaughan Williams…
Die hier eingespielten Kompositionen, allesamt Kammermusik und vermutlich noch vor der Emigration entstanden, gelangten über Müller-Hartmanns Söhne nach Israel und werden dort von der Jerusalem Academy of Music and Dance verwahrt. Nachdem die posthume Uraufführung des dritten Streichquartetts im Mai 1951 vorerst und vermutlich für nahezu 70 Jahre die letzte Aufführung einer seiner Partituren bleiben sollte, ist nun dem rührigen, aus Kanada stammenden ARC Ensemble ein erster Einblick in das Schaffen des Vergessenen zu verdanken (innerhalb der beim Label Chandos inzwischen sehr profilierten und ausgebauten Serie «Music in Exile»). Gleich fünf Werke unterschiedlicher Besetzung werden vorgestellt und überaus fundiert interpretiert. Ein dunkles Timbre beherrscht den stringenten Verlauf der Sätze. Ein Album, das aufhorchen lässt und Lust auf mehr – auch in größeren sinfonischen Zusammenhängen – macht.
Robert Müller-Hartmann. Sonate für Violine und Klavier op. 5 (ca. 1923); Zwei Stücke für Violoncello und Klavier (vor 1937); Sonate für zwei Violinen op. 32 (ca. 1935); Drei Intermezzi und Scherzo für Klavier op. 22 (vor 1937); Streichquartett Nr. 2 op. 38 (vor 1937)
ARC Ensemble
Chandos CHAN 20294 (2022)