12. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Klavierwerke / Peter Donohoe

Klavierwerke / Peter Donohoe
Klavierwerke / Peter Donohoe
«Busonis Beitrag zur Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts ist unschätzbar.» Der Satz findet sich nicht etwa in einer der großen Enzyklopädien, sondern im Booklet dieses Albums am Ende von Peter Donohoes Anmerkungen des Inter-preten. Und ja: Je länger man sich mit dem Komponisten und seinen Werken beschäftigt, desto mehr kann man diesen emphatischen Satz bestätigen. Dass es allerdings um Busoni auch im 100. Todesjahr ruhig geblieben ist, mag vielleicht damit zusammenhängen, dass er sich nicht einfach schubladisieren lässt: Schon die Kombination von Komponist und Bearbeiter, vom virtuosen Pianisten und hellsichtigen Musikphilosophen macht es einem nicht leicht; seine sich mit den Jahrzehnten verschiebenden Ansichten und stilistischen Optionen stellen gar eine Herausforderung dar. Aber liegt nicht im Komplexen ein besonderer Reiz?

Peter Donohoe gehört jedenfalls nicht zu jenen Pianisten, die leichtfertig die Tasten bewegen. Man merkt seiner Interpretation in jedem Takt an, dass er sich über einen langen Zeitraum mit dem Komponisten und dessen Schaffen intensiv auseinandergesetzt hat. Kaum anders ließen sich die hier versammelten, höchst unterschiedlichen Werke so souverän (technisch), stringent (gestalterisch) und einheitlich (interpretatorisch) realisieren. Wer Busoni lediglich als Bach-Bearbeiter kennt, wird von dem trefflich umgesetzten Arrangement fasziniert sein (Busoni adaptiert wirklich für das Klavier); wer Busoni als Komponist entdecken will, wird in den hier eingespielten, vorzugsweisen ernsten Werken fündig: Die Toccata (1921) setzte auch Busoni selbst vielfach als eines seiner gewichtigsten Werke aufs Programm, die Sonatina fasst in nur acht Minuten eine ganze Welt zusammen, und mit den Elegien (der Titel täuscht) werden unterschiedliche Ausdruckssphären ausgelotet. Man hat bei Peter Donohoe nie das Gefühl, er würde technisch an die Grenzen oder darüber hinaus gehen. Ihm bleibt so jede Freiheit in der Auslegung der allzu vielen, genau ausreichenden Noten – und das macht diese (akustisch leider etwas trocken geratene) Produktion zu einem Schatz.

Ferruccio Busoni. Toccata BV 287 (1921); Elegien BV 249 (1907) & BV 252 (1909); Sonatina Nr. 6 «super Carmen» BV 284 (1920); Johann Sebastian Bach. Toccata, Adagio und Fuge C-Dur BWV 564 (Arr. Ferruccio Busoni)
Peter Donohoe (Klavier)

Chandos CHAN 20237 (2021)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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