23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Ohana / Olivier Pelmoine

Ohana / Olivier Pelmoine
Ohana / Olivier Pelmoine
Noch immer dürfte Maurice Ohana (1913–1992) zu den eher unbekannten Komponisten des 20. Jahrhunderts zählen – dabei notierte bereits 1997 Harry Halbreich in einem CD-Booklet: «Die Tatsache, dass Maurice Ohana einer der ganz großen Komponisten dieses Jahrhunderts war, scheint eines der bestgehüteten Geheimnisse unseres Musiklebens zu bleiben.» Die Gründe dafür sind vielfältig und sind zum einen im Œuvre zu suchen, das zwar breit ist, aber kaum auf wenige Werke fokussiert werden kann; zum anderen in der musikalischen Sprache, die sich dem Versuch einer Etikettierung hartnäckig widersetzt. Darin aber mag gerade der unverkennbare Reiz der Kompositionen liegen, die mit wechselnder Intensität französische wie spanische Einflüsse zu erkennen geben, aber auch mittelalterliche, byzantinische und afrikanische Musik reflektieren (Ohana verbrachte die ersten zwei Dekaden seines Lebens im damaligen Französisch-Marokko).

Für den musikalischen Kosmopoliten, der sich nicht in die ideologische Zwänge der Avantgarde begab, sondern seine schöpferische Freiheit suchte (auch als einer der Gründer der «Groupe Zodiaque»), stellt schon aufgrund seiner Sozialisation die Gitarre in ihren unterschiedlichen Ausformungen keine bloße Randerscheinung dar, wie Olivier Pelmoine auf diesem bemerkenswerten Doppelalbum beweist. Mit teilweise kürzeren, teilweise mehrteiligen Werken für die sechs- bzw. zehnsaitige Gitarre hat Ohana eine sehr eigene, aber auch klar wiedererkennbare Klangwelt geschaffen, deren seltsame, partielle Sprödigkeit überwunden werden kann und das Einhören sich am Ende wirklich lohnt. – Klanglich bevorzugt Olivier Pelmoine einen etwas entfernten, eher kühlen, manchmal metallischen Ton und unterscheidet sich damit von der selbst in den Spitzen wärmer anmutenden Einspielung einiger Werke durch Graham Anthony Devine (Naxos, 2009). Höhepunkt der Produktion bleibt das in der Begleitung auf Klavier und Schlagwerk reduzierte und somit auch konzentrierte Gitarrenkonzert Tres Gráficos (1957).

La Guitare de Maurice Ohana
Maurice Ohana. Tiento (1955); Concerto «Tres Gráficos» (1957) (für Gitarre, Schlagwerk und Klavier arr. von Olivier Pelmoine); Anonyme XXème siecle (1988); Si le Jour Paraît (1963/64); Estelas (1974); Cadran Lunaire (1981/82)
Olivier Pelmoine (Gitarre), Delphine Coulon (Gitarre), Caroline Cren (Klavier), David Joignaux und Romain Robine (Schlagwerk)

Skarbo DSK 1220 (2021/22)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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Teil 1 von 5 in Michael Kubes HörBar #094 – Gitarre