10. Oktober 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Quartette / Quatuor Avium

Quartette / Quatuor Avium
Quartette / Quatuor Avium
Man muss zweimal hinschauen, ist zunächst verwundert – und erinnert sich dann an das vermeintlich «falsch» besetzte Streichquartett von Anton Arensky (dort mit zwei Violoncelli). Das 2018 gegründete und in Karlsruhe beheimatete Quatuor Avium geht nochmals einen anderen Weg: In diesem Ensemble wird die Viola verdoppelt – und sogleich erlangt das vielfach durch die erste Violine brillant geführte Streichquartett in dieser überraschenden Besetzung einen viel wärmeren, geschmeidigeren Ton Die Betonung der Mittellage überzeugt hier in famoser Weise – zumal mit Kompositionen, die explizit für diese Kombination der vier Streicher geschrieben wurden: von Stamitz und Cambini über Franz Anton Hoffmeister bis hin zu einem Werk von Felix Treiber (*1960), der im Quatuor Avium als Primarius wirkt.

Wer nun aufgrund des entlegenen Repertoires an eine lediglich mediokre Einspielung denkt, täuscht sich in jeder Hinsicht. Es ist eine Produktion, wie man sie sich oft genug von «regulären» Streichquartetten wünscht: In der Gestaltung und interpretatorisch vollkommen durchdacht, im Klang als geschlossene Einheit und doch mit individuellen Akzenten, in der Raumakustik tatsächlich kammermusikalisch. Hier wurde nichts dem Zufall überlassen, ohne dass die Werke in irgendeiner Weise manieriert oder gekünstelt erschienen – ganz im Gegenteil. Gerade die vorklassischen Kompositionen legen eine Geschmeidigkeit an den Tag, dass man sich allein vom Hören her fragen kann, warum «diese» Besetzung sich nicht durchgesetzt hat. Schon an diesem Gedanken lässt sich ablesen, mit welch herausragender Qualität das Quatuor Avium die einzelnen Werke realisiert. Die interpolierten (und in gamben-ähnlichen Farben leuchtenden) Fantasien von Purcell und Byrd wirken nicht störend, sondern eher bereichernd, das neue Quartett von Felix Treiber (geb. 1960) keineswegs aufgesetzt, sondern in allen Sätzen genau ausgehört. Dieses Album hat es verdient, mehr als nur ein Zufallsfund zu sein.

Franz Anton Hoffmeister. Quartett Es-Dur op. 20/5; Henry Purcell. Fantasia à 4 Nr. 8; Carl Stamitz. Quartett g-Moll op. 2/2; Felix Treiber. Quartett (2021); William Byrd. Fantasia à 4 Nr. 5; Giuseppe Cambini. Quartett D-Dur op. 21/3; George Gershwin. Three Preludes (Arr. Felix Treiber)
Quatuor Avium

Antes Edition BM 319329 (2022)

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Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

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