23. November 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Albert Guinovart / Alba Eterna

Albert Guinovart / Alba Eterna
Albert Guinovart / Alba Eterna
In den vergangenen Jahren bekam ich immer wieder einmal ein Album der offenbar recht eigenständig agierenden spanischen Sparte von Sony Music in die Hände. Die Höreindrücke waren und sind gemischt. Einerseits ist ein deutliches Engagement zu spüren, neue oder neuere Musik von der iberischen Halbinsel international bekannt zu machen; oft in Live-Mitschnitten, die teilweise erst mit erheblicher Verzögerung erscheinen. Hier ist es die Dokumentation von Aufführungen der zweiaktigen Oper Alba Eterna (1999) von Albert Guinovart aus dem Jahr 2016 – einer Komposition, die stilistisch wie auch in der Instrumentation verblüfft wie verwundert. Denn Guinovart (geboren 1962 in Barcelona), in seiner Heimat bekannt und geschätzt für seine Filmmusiken, schreibt in einem Mix aus Jazz und Oper, Filmmusik und Musical.

Man wird schon hellhörig, wenn Antoni Colomer in seinem knappen Booklet-Text auf ästhetische Freiheit verweist («there are no aesthetic borders«) und im Anschluss in freier Assoziation, abhängig von Parameter und Ausdruckssituation Strawinsky, Chopin, Weill und Rota, Poulenc und Bernstein erwähnt; fast würde ich auch noch Puccini ergänzen. Tatsächlich möchte man die Komposition eher als avanciertes Musical bezeichnen, auch wegen der teilweise frechen und unmittelbaren, sehr «amerikanisch» klingenden Rhythmen, Melodien und Farben. Oder ist es nicht doch eher ein Musical aus einer längst vergangenen Epoche? Und tragen die vielfachen Anleihen tatsächlich auch musikalisch? Die Kurzweiligkeit der Nummern und der Nummernfolge löst diese Herausforderung jedenfalls auf. Ohnehin bleibt bei diesem konzertanten Mitschnitt die stumme Partie der Alba (einer Balletttänzerin) wie eine Ellipse ohne jeden Nachhall – sie spiegelt sich in den Gefühlen und Gesängen der vier übrigen Protagonisten, begleitet von der Franz Schubert Filharmonia in «alter», kammermusikalisch inspirierter Filmmusik-Besetzung. Vielleicht mag im Libretto von Jordi Faura mehr stecken. Doch eine ordentliche Synopse der Handlung fehlt auch…

Albert Guinovart. Alba Eterna (1999)
Marta Mathéu (Sopran), Anna Alàs (Mezzo), Marco Sala (Tenor), Josep-Ramon Olivé (Bariton), Franz Schubert Filharmonia, Tomàs Grau

Sony 19658705722 (2016)

HörBar<< José Castel / Streichtrios

Autor

  • Michael Kube

    Dr. Michael Kube, geb. 1968 in Kiel, studierte Musikwissenschaft, Kunstgeschichte sowie Europäische Ethnologie/Volkskunde. Promotion mit einer Arbeit über Hindemiths frühe Streichquartette (1996), Habilitation mit Studien zu einer Kulturgeschichte des Klaviertrios (2016). Seit 1998 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Neuen Schubert-Ausgabe (Tübingen), seit 2002 zudem Mitglied der Editionleitung. Er ist seit 2007 Kuratoriumsmitglied (und seit 2013 Vorsitzender) der Stiftung Kulturfonds der VG Musikedition.

    Alle Beiträge ansehen
hoerbar_nmz

Der HörBar-Newsletter.

Tragen Sie sich ein, um immer über die neueste Rezension informiert zu werden.

DSGVO-Abfrage*

Wir senden keinen Spam! Erfahre mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Teil 5 von 5 in Michael Kubes HörBar #092 – Spanien