Denkt man an französische Kammermusik um die Wende zum 20. Jahrhundert, wird der Name von Paul Lacombe (1837–1927) vermutlich nicht fallen. Stilistisch gehört er jener Generation von Komponisten an, die unmittelbar nach der 1871 in Paris erfolgten Gründung der Société Nationale de Musique (SNM) auch kammermusikalisch hervortrat. Um ihn und sein Schaffen ist es allerdings erstaunlich still geblieben – vermutlich auch, weil sich Lacombe bei aller Erfindungsgabe und technischem Vermögen nicht so originär zu äußern verstand wie etwa Camille Saint-Saëns oder Gabriel Fauré. Er zählt damit zu jenen im Strudel der Zeit verschollenen Meistern, ohne die das Besondere oder gar Einmalige anderer Komponisten und ihrer Werke erst gar nicht zu erkennen wäre.
Dies betrifft zumal die hier in einer zweiten Folge erstmals eingespielten Kompositionen aus den Jahren 1899 bis 1904. Sie überraschen immer wieder mit eigenwilligen Wendunge – manche Phrase erscheint gar «groß» –, gehen dann aber doch zu rasch in den zeittypischen Ausdruck, die zeittypische Wendngen und harmonischen Gesten über. Dem auf diesem Album mit Sorgfalt und interpretatorischer Zuneigung agierenden Ensemble ist es jedenfalls zu verdanken, drei Werke aus der «unbekannten Masse» wieder auferstehen zu lassen und ihnen wirklich eine klingende Individualität zu geben. Das lässt sich vor allem für das Klavierquartett festhalten, wo auch noch die aufnahmetechnisch abgedämpfte Akustik des Kirchenraums passt. Bei den beiden Sonaten aber vermisse ich die Intimität eines Salons oder eines kleinen Saals, in dem dann auch der Klavierklang in seiner ganzen Breite präziser eingefangen worden wäre.
Paul Lacombe. Klavierquartett c-Moll op. 101 (1904), Sonate für Violoncello und Klavier A-Dur op. 100 (1900), Sonate für Violine und Klavier Nr. 3 g-Moll op. 98 (1899).
Victor Sangiorgio (Klavier), Sergey Levitin (Violine), Rachel Robert (Viola), Josephine Knight (Violoncello)
Dutton CDLX 7397 (2021)