25. April 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Winterreise / Ragazze Quartet

Winterreise / Ragazze Quartet
Winterreise / Ragazze Quartet
Nicht erst seit Arnold Schönbergs Opus 10 gab und gibt es immer wieder Kompositionen, Arrangements und Versuche, das in sich geschlossene, gattungsgeschichtlich überfrachtete, klanglich aber höchst flexible Streichquartett mit einer Singstimme zusammen zu bringen. Und so ist das Ragazze Quartet (mit ihrem Arrangeur Wim ten Have) nicht die erste Formation, die sich an eine entsprechende Interpretation von Schuberts Winterreise macht. Die Übertragung des (nicht nur) begleitenden Klavierparts auf die vier Saiteninstrumente bietet sich mit Blick auf die Faktur des Satzes vielfach an: Manches erscheint wie gemacht für eine natürlich wirkende Transkription, anderes (zumal typische Klavierfigurationen) bedürfen einer dem Komponierten möglichst nahe kommenden instrumentenspezifischen Entsprechung. Hier ist das Klavier oftmals überlegen, an anderen Stellen aber streicht das Ensemble durch eigene Spielweisen wie pizzicato, sul ponticello oder auch das Crescendieren eines Haltetons ganz eigene Farben und Stärken hervor.

Dennoch könnte ich mir einiges weitaus stärker akzentuiert vorstellen: Das anfängliche Gute Nacht gleitet etwas zu gefällig dahin, die Wetterfahne hätte gerne mehr Verfremdung vertragen. Darüber hinaus stellen sich aber ganz andere Fragen an eine derartige Transposition: Will man wirklich nur das Klavier substituieren und einige wenige eigene Akzente dort setzen, wo es ohnehin keine Alternativen gibt, oder beschreitet man besser nicht gleich einen freieren Weg, in dem diese Winterreise mit erweiterten Möglichkeiten gedeutet wird – nicht nur musikalisch, sondern auch interpretatorisch? Wim ten Have ist jedenfalls auf der sicheren Seite geblieben und mit ihm dann auch das Ragazze Quartet. Den vokalen Part dieser Einspielung hat Martijn Cornet mit seinem hohen Bariton übernommen; eigenständig angelegt und mit fundiertem Textverständnis gesungen. In den forcierten Passagen wünschte ich mir seine Stimme allerdings etwas voluminöser, während das mezza voce herrlich fahl und entrückt klingt.

Franz Schubert. Winterreise op. 89 D 911 (Arr. Wim ten Have)
Martijn Cornet (Bariton), Ragazze Quartet

Channel Classics CCS 43521 (2020)

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