Schuberts frühe Sinfonien machen es den Interpreten nicht einfach. Nachdem Ende des 19. Jahrhunderts Brahms von einer Veröffentlichung ernsthaft abgeraten hatte, sich aber glücklicherweise damit nicht durchsetzen konnte, fristeten sie dennoch lange genug ein Schattendasein. Warum? Weil sie stilistisch wie musikalisch kaum mit der «Unvollendeten» und der «Großen» in C-Dur zu messen sind, und weil man angesichts der Werke Beethovens sich nur wenig für diese (scheinbaren) Leichtgewichte begeistern konnte. Dabei zeigt Schubert in diesen Werken das «Woher», ohne epigonal zu sein.
Zwar sind die Sinfonien inzwischen vielfach eingespielt worden – die Ouvertüren (für Oper oder Konzert) gilt es allerdings noch immer zu entdecken. Insofern ist es eine äußerst glückliche Entscheidung, neben die Sinfonien wenigstens eine Auswahl dieser fast vergessenen Partituren zu stellen. Mehr aber noch wird deutlich, dass diese Werke für den altersweisen Heinz Holliger in Kombination mit dem Kammerorchester Basel einen Jungbrunnen darstellen, so unerhört frisch und agil werden hier die Sinfonien genommen.
Angepackt wird zudem der Konflikt zwischen dem angeschlagenen «großen Ton» und einer Faktur, die eben doch nur eine kleinere Streicherbesetzung verträgt – nicht als kompositorisches Manko, sondern vielmehr als schöpferischer Ausdruck von Schuberts eigenen musikalischen Erfahrungen im Stadtkonvikt oder in den Wiener Liebhaberorchestern jener Zeit.
So reduziert, überrascht dann auch der schlanke, fast italienische Drive, der gut zu der mitunter äußerst ökonomischen Art des Komponierens passt (mit zahlreichen Wiederholungen und Sequenzen von Taktgruppen). Rhythmische Prägnanz sowie melodische Gestaltung verleihen in der Kombination mit einem risikobewussten offenen, mitunter fast zerbrechlichen Ensembleklang der Einspielung eine deutliche Individualität, ohne dass etwas quer gegen den Strich gebürstet werden musste.
Franz Schubert. Sinfonie Nr. 3 D-Dur D 200, Ouvertüre zu «Des Teufels Lustschloss» D 84, Ouvertüre zu «Alfonso und Estrella» D 732, Sinfonie Nr. 2 B-Dur D 125
Kammerorchester Basel, Heinz HolligerSony 19075814422 (2019)