27. Juli 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch
Frank Niehusmann / Hainer Wörmann – Kabel

Frank Niehusmann / Hainer Wörmann – Kabel

Eine Musik, bei der man nicht mehr ruhig sitzen kann, eine Herausforderung an das Nichtfassbare. Nicht nur, dass da die Klänge häufig in einer Zersplitterung herumblitzen, die gleichwohl bei allen von Kabel 1 bis 6 durchzifferten Stücken ein intern (homogenes)  Geräuschfeld aufbauen (das heißt schlicht, man kann zwischen den Tracks unterscheiden!). Die Kabel-Tracks sind von einer akustischen Intensität, zwischen Gewalt und Leere, dass man hörend weit weg sein dürfte von Gedanken ewiger musikalischer Kontemplation. Man kann den Klängen nicht trauen! Wenn denn dann mal ein Rauschband wie in Kabel 6

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Esa-Pekka Salonen: Cello Concerto (2017)

Esa-Pekka Salonen: Cello Concerto (2017)

Eine Ein-Werk-CD, die mit einer Spielzeit von 35 Minuten ziemlich kurz geraten ist. Das Cellokonzert von Esa-Pekka Salonen zieht wie der bunte Farbreigen eines Kaleidoskops vorüber (es handelt sich um den Mitschnitt der Uraufführung vom 8. Februar 2018): nachimpressionistisch der erste Satz, der zweite mit hörbaren Anleihen an Rautavaaras Cantus Arcticus (1972), und ein ethno-rhythmisch geprägtes Finale. Alles in allem bleibt die Partitur zu unverbindlich in der Aussage. Sie lebt vielmehr durch ihre Interpreten – und dies wohl am besten live im Konzertsaal. Esa-Pekka Salonen: Cello Concerto (2017) Yo-Yo Ma

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Sir Richard Rodney Bennett: Orchestral Works Vol. 3 – BBC Scottish Symphony Orchestra, John Wilson

Eher die Musik als seinen Namen wird man aus einem Abspann kennen: denn Richard Rodney Bennett schrieb den Filmscore zu dem Kino-Klassiker Mord im Orient-Express (1974). Von ihm selbst lediglich als „musikalischer Journalismus“ abgewertet, brachte diese Arbeit dennoch ökonomische Sicherheit (nachdem Bennett bereits Schriften von Pierre Boulez ins Englische übersetzt hatte). Sein übriges Schaffen ist hierzulande aber noch immer unbekannt. Daran könnte die sorgfältige Einspielung seiner Orchesterwerke vielleicht etwas ändern. Jedenfalls fächern John Wilson und das BBC Scottish Symphony Orchestra das alles andere als einseitige Œuvre in seiner ganzen stilistischen

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CD-Cover

Frederico Albanese: The Twelve (2019)

Im Lande des Halls ist alles möglich. Auch diese in sich kreisende und auf der Stelle tretende Musik. Es ist ja nicht so, dass das alles ohne Kunstfertigkeit geschehen würde. So wie ja auch poliertes Chrom an Autofahrzeugen einen Reiz ausübt. Der aufs Auge, dieser aufs Ohr. Der Dreiklang-Terror ist hier noch ein bisschen gebändigt in einem verlangsamten Wechselnoten-Tornado. Wer da sagt, das alles gehe schon in Ordnung, schließlich ist es ja ein Motion Picture Soundtrack, darf damit gerne leben bis ans Ende der Zeit. Die „Neuen Meister“ von heute

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Tourbillons des Rameau – Teodoro Anzellotti (Akkordeon) (2017/18)

Hier lässt der eigenwillige Klang des Akkordeons Rameaus Musik nachgerade transzendiert erscheinen – und zeigt damit ihre noch immer gegebene Modernität auf. So fügen sich dann auch die fünf knapp gefassten zeitgenössischen Interpolierungen nahtlos ein. Eine Konzept-CD, deren Aufnahmetechnik alles Klangliche und Geräuschhafte des von Teodoro Anzellotti virtuos gespielten Instruments verblüffend sinnlich vermittelt. Tourbillons des Rameau: Werke von Jean-Philippe Rameau, Xavier Dayer, Nadir Vassena, Brice Pauset, Eun-Hwa Cho, Fabio Nieder und Johannes Schöllhorn; Teodoro Anzellotti (Akkordeon) Winter & Winter 910 254-2 (2017/18)

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La fil d’Ariane: Werke von Pietro Antonio Locatelli und Alex Nante (2018)

Kaum gibt es eine ausreichende Auswahl von aufführungspraktisch adäquaten Einspielungen der technisch anspruchsvollen Kompositionen Pietro Locatellis, ereilt das Œuvre des in Amsterdam sesshaft gewordenen italienischen Meisters schon der Ritterschlag des 21. Jahrhunderts: Gleich ob Concerto, Concerto gros­so oder Sinfonia – die mehrsätzigen Werke werden in ihrem Ganzen von zeitge­nössischen Reflexionen durchbrochen. Hier sind es Stücke des argentinischen Komponisten Alex Nante (*1992), die sich weiterdenkend einfügen oder kontrast­reich absetzen. Am Ende konkurrieren dann aber doch zwei kaum zu vermittelnde Welten auf engem Raum miteinander. Da kann einem beim Hören auch der

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Stefan Prins: Augmented

Eine großzügige Präsentation der Arbeit von Stefan Prins bietet Kairos unter dem Titel „Augmented“. Schon angesichts der rekordverdächtigen 280 Minuten Material auf CD und DVD eine bezeichnende Überschrift. Das „Augmentieren“ ist aber vor allem ästhetisches Prinzip von Stefan Prins, der in intermedialen Kompositionen an der Erweiterung, Vergrößerung, und gleichzeitigen Verunklarung der Materialfelder und Darstellungsebenen arbeitet. Das Visuelle ist dabei ebenso entscheidend wie das Akustische und so durchdringen sich „leibhaftiges“ Bühnengeschehen und „immaterielle“ Avatare in vielschichtigen Mischungen aus Instrumentalklang, Elektronik und Video-Projektionen. Die oft unauflösbare Gleichzeitigkeit von virtuell und real, technischer

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Finnish Baroque Orchestra: Helsinki Window

Gerade Ensembles Alter Musik pflegen oft einen vergleichsweise entspann­ten Umgang mit zeitgenössischen Partituren. Das Finnish Baroque Orchestra vergibt regelmäßig Kompositionsaufträge und hat unter dem Titel „Helsinki Window“ seine zweite CD mit neuer Musik eingespielt. Neben den finnischen Komponisten Jukka Tiensuu und Perttu Haapanen mit ausgesprochen polystilistischen Stücken, die tänzerisch bis burlesk die raue Klanglichkeit der barocken Originalinstrumente auskosten, steht Sarah Nemtsov mit zwei Cembalokompositionen besonders im Fokus. „running, out of tune“ (2013) entwickelt aus den Reibungen zweier Cembali in temperierter und mitteltöniger Stimmung harmonisch und rhythmisch ganz ungewöhnliche Texturen. Vielleicht

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Giorgio Netti: Necessità d’Interrogare Il Cielo

Eine „Erkundung ohne Zweck“, der es im besten Fall gelänge „das Ohr zu transzendieren“, wünschte sich Giorgio Netti hinsichtlich „necessità d’interrogare il cielo“ (1996/99) und das ist mehr als nur ein frommer Wunsch geblieben. Netti entwickelte diese abendfüllende Saxophonexpedition in vier größeren Stationen, benannt nach Sentenzen aus den Chaldäischen Orakeln, in enger Zusammenarbeit mit Marcus Weiss. Nun gibt es eine Neueinspielung von Patrick Stadler, die in ihrer Intimität und Konzentration vom ersten bis zum letzten Takt fesselt. Nettis mikroskopische Klangerkundungen beruhen auf intensiver Mikrophonierung diffiziler Spieltechniken, die sich erstaunlich fern

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Incantations: Werke von Dorman und Rautavaara (2018)

Es hat Jahre, Jahrzehnte, wenn nicht gar Jahrhunderte gedauert, bis das Schlagwerk in seiner ganzen Vielfalt endlich auch solistisch wahrgenommen wurde. Mit steigender Aufmerksamkeit ist nun aber auch ein freundschaftlicher Wettbewerb ausgebrochen um die virtuosesten Solisten mit den spektakulärsten Passagen. In den Ring gestiegen ist auch Christoph Sietzen – hier mit zwei Konzerten von Avner Dorman (Frozen in Time, 2007) und Einojuhani Rautavaara (Incantations, 2008). Stilistisch im Bereich der Postmodene angesiedelt, machen es einem beide Werke im Prinzip leicht, mit dem Fuß oder noch mehr rhythmisch mitzugehen. Der vor dem

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Albanian Piano Music: Werke von Simaku, Vorpsi, Lara, Ibrahim, Zadeja, Gjoni, Tole, Dizdari, Harapi (2018)

Eine pianistische Reise durch ein fast vergessenes Land an der Adria. In Erinnerung bleiben die Klavierstücke und Zyklen nahezu ausnahmslos wegen ihres musikalisch durch und durch ungefährlichen romantischen oder nationalromanti­schen Idioms. Und dennoch: eine Entdeckungstour in unbekanntem Terrain, die unter den Händen von Marsida Koni Lust auf mehr macht. Albanian Piano Music: Werke von Simaku, Vorpsi, Lara, Ibrahim, Zadeja, Gjoni, Tole, Dizdari, Harapi. Marsida Koni (Klavier) Piano Classics PCL 10149 (2018)

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Robert Groslot: Concerto for Orchestra, Violin Concerto

Robert Groslot: Concerto for Orchestra, Violin Concerto

Im 19. Jahrhundert eine Selbstverständlichkeit, ist heute die Personalunion von Komponist, Dirigent und Musiker selten geworden. Umso spannender lesen sich die biographischen Stationen von Robert Groslot. 1951 im belgischen Mechelen geboren, als Pianist ausgezeichnet, als Dirigent vielfältig aktiv, widmet er sich nun vermehrt der Komposition. Vor allem sein Concerto for Orchestra (2016) zeigt die Erfahrung, wie man einen großen Klangkörper ungezwungen in Szene setzt. Groslot ist allerdings stilistisch nur schwer zu fassen – am ehesten vielleicht in Richtung der nachromantischen amerikanischen Generation um Aaron Copland. Die Philharmoniker aus Brüssel nehmen

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