6. Dezember 2024 nmz – HörBar – unabhängig / unbestechlich / phonokritisch

Finnish Baroque Orchestra: Helsinki Window

Finnish Baroque Orchestra: Helsinki Window

Gerade Ensembles Alter Musik pflegen oft einen vergleichsweise entspann­ten Umgang mit zeitgenössischen Partituren. Das Finnish Baroque Orchestra vergibt regelmäßig Kompositionsaufträge und hat unter dem Titel „Helsinki Window“ seine zweite CD mit neuer Musik eingespielt. Neben den finnischen Komponisten Jukka Tiensuu und Perttu Haapanen mit ausgesprochen polystilistischen Stücken, die tänzerisch bis burlesk die raue Klanglichkeit der barocken Originalinstrumente auskosten, steht Sarah Nemtsov mit zwei Cembalokompositionen besonders im Fokus. „running, out of tune“ (2013) entwickelt aus den Reibungen zweier Cembali in temperierter und mitteltöniger Stimmung harmonisch und rhythmisch ganz ungewöhnliche Texturen.

Vielleicht das Interessanteste, was man seit Ligetis „Continuum“ auf dem Cembalo gehört hat. Im Rahmen chaotischer Verdichtungsprozesse kollabiert die historische Oberfläche am Ende im lärmenden Einbruch diverser Tape-Sounds. Ein deutlich hybrideres Setup weist „beyond its simple space“ (2018) für Solo-Cembalo, Barockensemble, Elektronik und Klangobjekte auf. Angelehnt an ein Gedicht von Robert Creeley lässt Nemtsov eine Klangwirrnis wuchern, in der das Rohe und Undomestizierte ungehindert seinen Lauf nehmen darf. Am Ende dann diffuse Stimmen, Vögel, Geräusche, ein Fenster nach Draußen.


Finnish Baroque Orchestra: Helsinki Window
FiBO Records

Autor

  • Dirk Wieschollek

    Dirk Wieschollek ist freier Musikpublizist mit Schwerpunkt Gegenwartsmusik. Autor und Rezensent bei diversen Printmedien und im Rundfunk. Zahlreiche Beiträge zur Komposition und Klangkunst des 20. und 21. Jahrhunderts.

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